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BRAND STORY

16. September 2024

„Wir sollten Abfälle ausbeuten anstatt unsere Erde“

Zwischen Sonderabfall und Felsklettern, Iod-Rückgewinnung und Gitarrenbau. Ein Porträt über Dr. Martin Kemmler, REMONDIS SAVA

Dr. Martin Kemmler ist seit dem Jahr 2006 für die Sonderabfallverbrennungsanlage von REMONDIS SAVA als Geschäftsführer verantwortlich. Als er 1998 nach Brunsbüttel kam, war die Anlage erst wenige Monate im Routinebetrieb. Heute ist sie eine der modernsten Anlagen in Europa und die weltweit einzige, die sogar Iod zurückgewinnen kann. Doch das Herz des gebürtigen Schwaben schlägt mindestens noch für drei weitere Leidenschaften.

Wer ins Hafenstädtchen Brunsbüttel gelangt, ist auf dem platten Land angekommen. Hier wird Norddeutschlands Flachland noch ein bisschen flacher und öffnet sich zum Meer. Mit REMONDIS SAVA ist Brunsbüttel eine internationale Anlaufstelle für alle, die sich gefährlicher Abfälle entledigen wollen. Pestizide, Chemikalien Lacke, Säuren, Lösungsmittel, Batterien, Krankenhausabfälle, Medikamente – Abfall, mit dem besonders verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. Abfall, der keinesfalls Mensch und Umwelt gefährden darf. Täglich werden in Brunsbüttel etwa 150 Tonnen gefährlicher Abfall thermisch behandelt. „In unserer Anlage werden die Abfälle bei einer Temperatur von über 1.100 Grad Celsius oxidativ behandelt, sprich verbrannt. Dabei werden organische Stoffe in ihre entsprechenden anorganischen Bestandteile zerlegt“, erklärt Dr. Martin Kemmler auf dem Weg über das Betriebsgelände.

Dr. Martin Kemmler, Geschäftsführer REMONDIS SAVA

Anfangsjahre zwischen Brunsbüttel, Togo, Polen und Nepal

Dr. Martin Kemmler hat in Tübingen studiert und 1993 promoviert. Nach einigen Jahren Berufserfahrung im Sonderabfallgeschäft startete er im Jahr 1998 als Chemiker im Vertrieb von REMONDIS SAVA. „Die Anlage war damals nicht optimal organisiert“, erinnert er sich. Insbesondere gab es keinen Vertrieb. Der Anlage fehlten signifikant Abfälle, um ordentlich betrieben werden zu können. „So fand ich im hohen Norden einen interessanten Arbeitsplatz direkt auf der Anlage. Den Abfallmangel konnten wir innerhalb von wenigen Monaten beenden, da wir im Ausland interessante Märkte in Ländern ohne Verbrennungsanlage ausmachten.“ Seitdem wird Sonderabfall aus dem internationalen Markt nach Brunsbüttel transportiert.

„Ab 2002 haben wir unser Leistungsspektrum erweitert, indem wir uns erfolgreich bei internationalen Ausschreibungen zur Altlastensanierung bewarben.“ Ein bis drei Mitarbeiter der SAVA arbeiteten als Field-Team das Projekt zusammen mit lokal angeworbenen Kräften vor Ort ab. Oft ging es darum, Altpestizide zu verpacken, damit sie in Brunsbüttel verbrannt werden konnten. „In der Regel erledigten wir einen größeren Auftrag im Jahr. So konnten wir lukrative Projekte im Senegal, in Kap Verde, Mauretanien und Togo sowie im europäischen Ausland wie Albanien, Rumänien, Litauen, Moldau, Polen, Ukraine und Belarus gewinnen. Sogar in Nepal waren wir aktiv.“ Hierdurch konnten zusätzlich zur routinemäßigen Verbrennung Erträge erwirtschaftet werden und die Anlage konnte bald in die Gewinnzone gebracht werden.

Täglich werden in Brunsbüttel etwa 150 Tonnen gefährlicher Abfall thermisch behandelt.

Kreislaufwirtschaft für den Rohstoff Iod

Nach gut zehn Jahren Entwicklungsarbeit ist es gelungen, bei REMONDIS SAVA aus den Rauchgasen in industriellem Maßstab Iod abzuscheiden. In einer der Verbrennung nachgeschalteten Stufe wird der Stoff aus dem Rauchgas abgeschieden, aufkonzentriert und der Industrie wieder zur Verfügung gestellt. Das Spurenelement ist zum Teil in Industrieabfällen enthalten und wurde bislang zusammen mit dem Filterstaub aus der Verbrennungsanlage unterirdisch deponiert. Für den Wirtschaftskreislauf war der gefragte Rohstoff damit verloren. Die einzigartige Iod-Rückgewinnungsanlage, die Dr. Martin Kemmler in Kooperation mit der süddeutschen Firma REC53 entwickelte, ging Anfang 2023 in Betrieb. Heute ist die Anlage ausgelastet und scheidet Monat für Monat etwa 3.000 Kilogramm Iod ab.

REMONDIS SAVA nimmt Rückgewinnungsanlage für Iod in Betrieb

Sonderabfallverbrennungsanlage REMONDIS SAVA. Die Technik im Detail

Was ist Iod?

Iod ist ein Spurenelement. Es gilt als sogenanntes vulnerables Element, also eines, das nicht in beliebigen Mengen verfügbar ist. Es wird unter anderem Speisesalz beigemischt und für die Medikamentenherstellung benötigt.

Anlage weit unterhalb der Vorgaben

Das Herzstück der Anlage ist der riesige Ofen. „Wichtig ist, dass alle Teilchen mindestens zwei Sekunden bei etwa 1.100 Grad Celsius verweilen.“ In der nachgeschalteten Rauchgasreinigung werden die Schadstoffe eliminiert. Die genehmigten Emissionsgrenzwerte werden dabei nicht nur eingehalten, sondern sogar weit unterschritten. Die Anlage arbeitet abwasserfrei, das heißt, dass alle Salze eingedampft und unterirdisch abgelagert werden. Des Weiteren wird Stahlschrott aus der Schlacke abgeschieden und vermarktet. Energetisch arbeitet die Anlage im Hinblick auf den Stromverbrauch weitgehend autark. Aus dem Heißdampf entsteht in einer Turbine elektrische Energie. Überschüssiger Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist.

Innovatives Verfahren zur Rückgewinnung von Iod

Damit nicht genug, hat Dr. Martin Kemmler mit seinem Team im vergangenen Jahr eine neuartige Rückgewinnungsanlage für Iod in Betrieb nehmen können. „Die Anlage ist in dieser Konstellation neu, da sie auch geringe Mengen Iod erfasst und die herkömmliche Verbrennung von gefährlichem Abfall nicht einschränkt oder behindert“, erläutert er. Die Anlage kann als eine achte Reinigungsstufe der Verbrennungsanlage angesehen werden. Für das isolierte Iod werden gute Erlöse erzielt. Bisher wurde monatlich die Menge von etwa 3.000 Kilogramm Iod gewonnen. Damit ist die Gewinnzone erreicht.

„Abfall ist eine Ansammlung von wertvollen Stoffen, die wir nutzen können. Das ist effizient betriebener Klima- und Umweltschutz.“

Dr. Martin Kemmler, Geschäftsführer REMONDIS SAVA

Erfolg durch Kooperation

Die ersten Ideen für die Iod-Rückgewinnung entstanden bereits 2013. „Anlass war die Anfrage meines Studienfreundes und Arbeitskollegen Dr. Steffen Reich in den Jahren vor meiner Zeit bei REMONDIS SAVA. Er hatte ein Unternehmen zur Herstellung von Iod-Chemikalien gegründet und benötigte dazu den Rohstoff Iod.“ In gefährlichen Abfällen ist nicht selten Iod enthalten, bleibt aber in herkömmlichen Verbrennungsprozessen ungenutzt. „Daher regte der Kollege an, dass wir gemeinsam die Möglichkeiten der Rückgewinnung dieser Iodmengen untersuchen könnten.“ Eine Bachelorarbeit wurde angestoßen und schließlich eine Versuchsanlage installiert. „Nach zahlreichen Versuchsreihen hatten wir den Bogen raus, wobei uns Kollege Reich stark unterstützte, indem er uns ein geeignetes Verfahren zur Isolation von Iod vorschlug, das er bereits zur Abreinigung von Abfallwässern nutzte“, erläutert Dr. Martin Kemmler. Die Rückgewinnungsanlage gibt REMONDIS SAVA ein zusätzliches kleines Standbein.

„Wir sollten unsere Abfälle ausbeuten anstatt unsere Erde“

Unser Rundgang führt durchs firmeneigene Labor nach draußen, vorbei an Fässern und Tanks, bis zum Drehrohr des Ofens und zur innovativen Iod-Abscheideanlage. Überall fliegt uns ein „Hallo Chef!“, „Moin, Herr Dr. Kemmler“ von den Mitarbeitenden entgegen. Ein kurzer Schnack, ein paar fachliche Dinge werden ausgetauscht. Es geht kollegial zu hier bei REMONDIS SAVA – gute Laune trotz Gefahrenstoffen. Dazwischen ist sogar Raum für grundsätzliche Sinnfragen. „Abfall entsteht ja nur, weil im Zyklus Stoffe miteinander so vermischt werden, dass man sie mit einem vertretbaren wirtschaftlichen Aufwand nicht mehr trennen kann“, sagt er nachdenklich, wohlwissend, dass das auch bis auf Weiteres so bleiben wird und daher Anlagen wie die in Brunsbüttel noch sehr lange dringend benötigt werden. „Wir müssen uns Verfahren überlegen, die geeignet sind, bestimmte Komponenten und Elemente aus dem Abfall zurückzugewinnen. Abfall ist eine Ansammlung von wertvollen Stoffen, die wir nutzen können. Das ist effizient betriebener Klima- und Umweltschutz.“

Der Musiker, Gitarrenbauer und Gärtner

Wertvolle Stoffe, Natur und Umwelt gibt es auch noch an anderer Stelle im Leben von Dr. Martin Kemmler. Vor fünf Jahren ist er in ein 380 Jahre altes Reetdachhaus aufs Land gezogen und hat es gemeinsam mit seiner Frau komplett energetisch saniert. „Auf dem Grundstück gibt es noch ein zweites Haus, das sehr gut als Werkstatt und Proberaum geeignet ist“, erzählt er. Denn in seiner Freizeit baut und restauriert Kemmler Jazzgitarren – und spielt sie. „Außerdem sind wir beide sehr gerne im Grünen. In unserem Garten gibt es Obst und Gemüse. Meine Frau kümmert sich um das Gemüse, ich mehr um das Obst, sodass wir von Mai bis Oktober wenig dazukaufen müssen.“

Die Jahre am Berg

Wie viel ihm die Bewegung draußen in der Natur bedeutet, zeigt eine weitere Leidenschaft. Seit frühester Jugend ist Dr. Martin Kemmler Kletterer – Felskletterer, um genau zu sein. Während seines Chemiestudiums in Tübingen machte er die Prüfung zum Hochtourenführer. Viele Jahre führte er die Alpenvereinsmitglieder auf höchste Alpengipfel und durch die steilsten Felswände und gab Kletterkurse. „Zehn Jahre meines Lebens habe ich nur fürs Felsklettern gelebt, jede freie Minute! Wenn andere am Wochenende gefeiert haben, sind wir irgendwo spät am Freitag aufgestiegen und waren Samstag um sechs Uhr morgens schon in einer schweren Felswand.“ Dabei sind hunderte schwere Felsfahrten zusammengekommen und 1991 sogar eine Erstbegehung an der Drusenfluh im Schweizer Rätikon mit 600 Metern Wandhöhe im achten Schwierigkeitsgrad. „Da sind wir von unten rein, ohne Vorerkundung des Geländes, und haben uns durch die unbegangene direkte Südwand gekämpft, am Ende sogar mit Biwak.“

Heute fitter denn je

Diese Erlebnisse möchte er nicht missen, auch wenn er heute in Brunsbüttel außer dem Deich keine Berge zum Klettern hat. Nun ist es die Kletterhalle beim Deutschen Alpenverein in Hamburg und ab und zu mal eine Klettertour im Urlaub, vorzugsweise mit Sohn oder Tochter, die beide ebenfalls klettern. „In meinem Alter klettern nur noch die wenigsten,“ sagt er. Während der Coronazeit ist er wegen der Ansteckungsgefahr nicht in die Halle gegangen. „Als ich zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder zum Klettern ging, wusste ich nicht, ob ich in meinem Alter nochmal abhebe. Inzwischen bin ich wieder im regelmäßigen Training und fitter als vor zehn Jahren“, sagt er und grinst verschmitzt.

Bildnachweise: © REMONDIS

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