Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit im Personen- und Güterverkehr sind eine der Säulen der deutschen und europäischen Klimapolitik. Während aber der Weg beim privaten und gewerblichen Straßenverkehr dank neuer, überwiegend elektrischer Antriebskonzepte und bei der Schiene mit grünem Strom vorgezeichnet sind, muss die Luftfahrt größere Hürden nehmen. SARIA – ein Schwesterunternehmen von REMONDIS – leistet ab 2025 einen entscheidenden Beitrag für die grüne Luftfahrtindustrie.
Die Luftfahrtindustrie steht aktuell für zwei bis drei Prozent des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes, Tendenz steigend. Sie verbrennt jährlich rund 375 Millionen Tonnen Kerosin. Andererseits erzielte sie allein in der EU im Jahr 2022 eine Wertschöpfung von 261 Milliarden Euro und beschäftigte mehr als 900.000 Menschen. Der Weg der Branche zu mehr Klimaneutralität ist deshalb von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung, jedoch durch hohe technische Anforderungen gekennzeichnet.
Salopp gesagt: Fällt der Antrieb eines Autos aus, fährt der Fahrer rechts ran und ärgert sich. Fällt der Antrieb in der Luft aus, sind die Folgen weit dramatischer. Hinzu kommt, dass Flugzeugantriebe ganz andere Leistungsprofile und Betriebsdauer haben als Verbrenner für Fahrzeuge am Boden. Flugzeugtriebwerke sind also so etwas wie die Krone der Verbrennungsmotoren – und entsprechend nicht so leicht zu ersetzen.
Die Luftfahrtindustrie steht aktuell für zwei bis drei Prozent des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes, Tendenz steigend.
Verschiedene Konzepte
Die Airlines und die Flugzeugbauer verfolgen aktuell verschiedene Konzepte. Synthetische Kerosine gehören zu den eFuels, werden also mit Hilfe von Strom, gewonnen aus Windkraft und Photovoltaik, durch chemische Prozesse aus Wasserstoff und CO2 hergestellt. Grob gesagt wird also Kerosin künstlich nachgebaut. Ihr Vorteil ist, dass sie in bestehenden Triebwerken eingesetzt werden können. Allerdings sind sie aktuell kaum verfügbar, weisen nicht marktfähige Herstellungskosten auf und benötigen zusätzliche Kapazitäten bei der Stromerzeugung, die erst noch gebaut werden müssen. Bei allem Optimismus ist noch viel zu tun, bis synthetische Kerosine in bedarfsgerechtem Umfang zu bezahlbaren Preisen auf den Markt kommen werden.
Ähnlich fällt die Bewertung beim Einsatz von Wasserstoff aus. Dieser kann als Treibstoff für Flugzeuge verwendet werden, entweder durch Verbrennung in modifizierten Triebwerken oder durch Brennstoffzellen, die elektrische Energie erzeugen. Wasserstoff gilt allerdings auch in anderen Branchen als Königsweg auf dem Weg zur Klimaneutralität, etwa bei der Stahlherstellung. Entsprechend heftig ist der Wettbewerb der Branchen um die noch geringen Produktionskapazitäten für Wasserstoff. Selbst wenn also die Produktion schnell steigen sollte, ist keineswegs klar, ob die Luftfahrtindustrie auf diesen Zuwachs zugreifen können wird.
Noch weiter in die Zukunft blicken wir bei elektrisch angetriebenen Flugzeugen: Aktuell entsprechen kleine Prototypen – bei aller Begeisterung für die futuristischen Designs – weder bei Reichweite noch Größe auch nur annähernd dem Bedarf der Luftfahrtbranche.
Eine Schlüsselrolle nehmen deshalb bei den ersten Schritten der Luftfahrtindustrie in Richtung mehr Nachhaltigkeit beim Antrieb Sustainable Aviation Fuels (SAF) ein. SAF ist eine Mischung aus herkömmlichen fossilen Brennstoffen und synthetischen Komponenten, die aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden. Der Branche steht damit eine praktikable und sofort einsetzbare Alternative zu herkömmlichem Kerosin zur Verfügung. SAF kann in bestehenden Flugzeugtriebwerken verwendet werden und hat das Potenzial, die CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren – nach Expertenschätzungen rund 80 Prozent im Vergleich zum klassischen Kerosin.
Wachsende Auflagen für die Luftfahrtindustrie
Etliche Airlines haben sich bereits freiwillig verpflichtet, SAF einzusetzen, doch auch der rechtliche Rahmen weist in die gleiche Richtung. Die EU schreibt der Branche in Europa ab 2025 die Beimischung von SAF vor. Deren Anteil soll dann schrittwiese von 2 Prozent bis auf 70 Prozent im Jahr 2050 steigen. Auch synthetische Kerosine können und werden mittel- und langfristig zum Einsatz kommen, um die dahinterstehende Nachfrage bedienen zu können.
Deutschland hat bei der Umsetzung der EU-Vorgaben noch eine weitere Detaillierung vorgesehen. Bereits ab 2026 sollen danach mindestens 0,5 Prozent des Kerosins synthetisch hergestellt worden sein. Ob es bei dieser Anforderung bleibt, scheint aber noch nicht komplett ausgemachte Sache zu sein.
Veränderungen beim Handel mit CO2-Zertifikaten dürften den Wandel auf jeden Fall beschleunigen. Zwar nehmen Fluggesellschaften, die innerhalb Europas Flüge durchführen, bereits seit 2012 am Europäischen Emissionshandelssystem teil. Sie müssen also für ihre CO2-Emissionen entsprechende Zertifikate kaufen. Derzeit erhalten sie jedoch etwa 80 Prozent der benötigten Emissionsrechte kostenlos. Ab 2026 wird es keine kostenlosen Zertifikate mehr geben; alternative Lösungen werden damit auch wirtschaftlich attraktiver.
Hoher Bedarf
Der Bedarf an SAF in der Luftfahrtindustrie ist erheblich und wächst stetig. Laut Schätzungen wird die globale Nachfrage bis 2030 auf etwa 20 Millionen Tonnen steigen. Dem stehen weltweit Produktionskapazitäten zwischen 11 und 25 Millionen Tonnen gegenüber. Allerdings gibt es hier erhebliche Unsicherheiten, da nur Optimisten glauben, dass alle angekündigten Projekte realisiert werden.
Derzeit deckt die Produktion von SAF nur einen kleinen Bruchteil des gesamten Bedarfs an Flugkraftstoff ab. Im Jahr 2024 wird die Produktionskapazität voraussichtlich nicht mehr als 1,5 Millionen Tonnen betragen, was nicht einmal 0,5 Prozent des gesamten Bedarfs an Flugkraftstoff ausmacht und nicht einmal ausreichen würde, um aus globaler Sicht im Jahr 2025 die Vorgaben der EU zu erfüllen.
Projekt von SARIA und TotalEnergies
Vor dem Hintergrund entsteht in Grandpuits in Frankreich derzeit eine Bioraffinerie zur Herstellung von SAF. Ab 2025 sollen am Rande der Ile-de-France bis zu 210.000 Tonnen SAF die runderneuerte Raffinerie verlassen und bei den Airlines zum Einsatz kommen. SARIA und TotalEnergies arbeiten im Zuge dessen als Joint Venture zusammen.
TotalEnergies liefert als globales Multi-Energie-Unternehmen sowohl die Marktexpertise für die Herstellung von Biokraftstoffen und erneuerbaren Energien als auch die optimalen Standortbedingungen für die Herstellung von Biokerosin.
Die 1966 in Betrieb genommene Total-Raffinerie in Grandpuits wird dazu aktuell umgebaut, um bis 2050 vollständig klimaneutral zu sein. SARIA, als Experte für die Sammlung und Verwertung von organischen Reststoffen, steuert auf der anderen Seite die Expertise im Bereich der Rohstofflieferung für die SAF-Produktion bei. Durch das europaweite Erfassungsnetz für die Sammlung und Verwertung von Altspeiseölen (UCO) und tierischen Fetten aus der Lebensmittel- und Fleischwirtschaft, die als Ausgangsstoff für die SAF-Herstellung genutzt werden können, ist SARIA der perfekte Partner für TotalEnergies.
Am 30. August 2023 konnten TotalEnergies und SARIA den ersten Spatenstich für die künftige Biokraftstoff-Produktionsstätte in Grandpuits (Frankreich) setzen
Drei Fragen an Nicolas Rottmann – Vorstandsmitglied der SARIA-Gruppe und verantwortlich für den Geschäftsbereich Biofuels
Für die Herstellung des SAF benötigen Sie entsprechende Rohstoffe aus der biologischen Wertstofferfassung. Woher kommen die Stoffe?
Nicolas Rottmann: Für die Herstellung wird nachhaltiges biogenes Material als Rohstoffbasis genutzt. Dafür sammeln wir Altspeiseöle und -fette aus der Lebensmittelwirtschaft, zum Beispiel von Restaurants oder Imbissen. Gleichzeitig nutzen wir auch Fette, die aus tierischen Nebenprodukten gewonnen werden. Diese stammen meist von lokalen Ressourcen wie Schlachthöfen, Metzgereien und aus der Landwirtschaft. Diese Fette stammen unter anderem von tierischen Nebenprodukten der Kategorie 1 und 2. Mittlerweile sind aber auch bestimmte Fette tierischen Ursprungs der Kategorie 3 zur Verwertung zugelassen.
Alle Materialien, die gesammelt und weiterverarbeitet werden, sind für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Damit steht die Herstellung von Biokerosin nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Die SAF-Herstellung aus Altspeiseölen und -fetten ist ein innovativer Weg, wertvolle Rohstoffe im Wertstoffkreislauf für neue Anwendungszwecke nutzbar zu machen.
Was macht dieses Joint Venture so besonders?
Nicolas Rottmann: Dieses Gemeinschaftsprojekt verknüpft die Wertschöpfungskette von der Sammlung biologischer Reste über die Vermarktung von Biokraftstoffen bis hin zur Herstellung von nachhaltigen Flugkraftstoffen. Mit diesem Projekt leisten wir unseren Beitrag zur langfristigen Versorgung europäischer Flughäfen mit SAF und unterstützen damit die Forderung der Europäischen Union nach einem verstärkten Einsatz von SAF in den kommenden Jahren. Gemeinsam werden TotalEnergies und SARIA die Zukunft des nachhaltigen Luftverkehrs in Grandpuits aktiv mitgestalten.
Wie schätzen Sie die Zukunft von der SAF- Produktion ein?
Nicolas Rottmann: Durch das „Fit-for-55“-Paket, mit dem die Europäische Union ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent reduzieren will, ist die Marktlage für SAF gesetzgeberisch abgesichert. Ab 2025 müssen Airlines zwei Prozent ihres Treibstoffbedarfs in der EU durch SAF decken und mit der ReFuelEU Aviation-Verordnung sollen es bis 2050 sogar 70 Prozent werden. Die Nachfrage wird also deutlich steigen. Wir konzentrieren uns jetzt aber erst einmal auf den Produktionseinstieg im nächsten Jahr in Grandpuits.
SARIA ist ein deutsches Familienunternehmen und ein Schwesterunternehmen von REMONDIS und Rhenus. Den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft verpflichtet, liegt der Schwerpunkt der diversen Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen auf der Sammlung und Umwandlung organischer Ressourcen in erneuerbare Energien und hochwertige Materialien für neue Anwendungen in der Lebensmittel-, Tierfutter-, Tiernahrungs- und Pharmaindustrie. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz im westfälischen Selm und beschäftigt rund 13.000 Mitarbeitende in 26 Ländern.
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