Die Entwicklung alternativer Antriebssysteme ist noch nicht vollständig abgeschlossen. So fällt es nicht leicht, schon heute den Weg auszuwählen, der auch morgen noch der beste sein wird. Als Leiter des Institutsteils Sulzbach-Rosenberg von Fraunhofer UMSICHT befasst sich Professor Dr.-Ing. Matthias Franke mit der Entwicklung von Abfallwirtschafts- und Ressourcenstrategien sowie der energetischen und stofflichen Verwertung von Abfällen und Reststoffen. Im Gespräch erläutert er die Potenziale biogener Rest- und Abfallstoffe und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.
Herr Professor Franke, die Clean-Vehicles-Richtlinie erlaubt für saubere Nutzfahrzeuge zahlreiche alternative Antriebsformen. Welches Konzept könnte sich durchsetzen?
Perspektivisch können wir von einem Mix verschiedener Konzepte in den einzelnen Anwendungsbereichen ausgehen. Als sauber gelten schwere Nutzfahrzeuge über 3,5 t, wenn sie alternative Kraftstoffe nutzen. Dazu zählen beispielsweise Strom, Wasserstoff, Erdgas, synthetische oder Biokraftstoffe. Vollelektrische oder wasserstoffbasierte Antriebskonzepte sind im Betrieb quasi emissionsfrei. Jedoch entfallen die mit der Strom- und Wasserstofferzeugung verbundenen Emissionen erst bei einem vollständig regenerativem Strommix.
In der Abfallwirtschaft sind diese Antriebe noch in der Erprobungsphase. Herausforderungen bestehen bei den erzielbaren Reichweiten, der erforderlichen Lade- und Tankinfrastruktur sowie der Wirtschaftlichkeit. Antriebskonzepte auf Basis von Biokraftstoffen können dagegen mehrheitlich mit bereits vorhandener Technologie und Infrastruktur genutzt werden. Die im Betrieb freigesetzten CO2-Emissionen sind klimaneutral. Je nach eingesetztem Substrattyp und Konversionsverfahren sind sogar negative Emissionssalden möglich.
Wie ist der Einsatz von Biogas aus Bioabfällen unter Nachhaltigkeitsaspekten zu bewerten?
Biogas aus Bioabfällen und anderen Reststoffen hat zunächst den Vorteil, dass es nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelindustrie
erzeugt wird, wie zum Beispiel Energiepflanzen. Zudem werden die anbaubedingten CO2-Emissionen vermieden. Biogas aus Abfällen und Reststoffen zählt daher gemäß der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II zu den sogenannten fortschrittlichen Kraftstoffen. Im direkten Vergleich mit fossilem Dieselkraftstoff besteht ein großer Vorteil von Biomethan in der sehr hohen Reduktion von Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig werden NOx- und Feinstaubgrenzwerte für Diesel sicher eingehalten. In Zukunft könnte es durch synthetisches Methan aus Power-to-Gas-Verfahren ergänzt werden. Wobei diese strombasierten Kraftstoffe erst mit deutlich steigendem Anteil erneuerbarer Energien am Strommix ihre Vorteile ausspielen können.
Die Gewinnung von Biogas ist im kommunalen Umfeld etabliert. Das gewonnene Gas wird meist zur Produktion von Strom und Wärme verwendet. Was bringt ein Einsatz in der Mobilität?
Biogas bzw. Biomethan ist ein sehr flexibler Energieträger mit geringem ökologischen Rucksack. Für einen stärkeren Einsatz in der Mobilität sprechen vor allem die schnell erzielbaren THG-Einsparungen, weil die Infrastruktur bereits besteht und die Technologie am Markt verfügbar ist. Im Gegensatz zu weniger ausgereiften Antriebstechnologien wäre der Biogaseinsatz auch schnell skalierbar und könnte so mit vergleichsweise geringen Kosten einen Beitrag zur THG-Emissionsreduktion im Mobilitätssektor bis 2030 leisten.
Welche alternativen Energieträger halten Sie im Bereich des Lkw-Verkehrs noch für aussichtsreich?
Teile des Straßengüterverkehrs und der Landwirtschaft werden auch in Zukunft nur sehr schwer elektrifizierbar sein. Dort könnten neben gasförmigen auch flüssige Kraftstoffe auf der Basis von Reststoffen wie Bioabfall, Gärresten, Grünschnitt oder Klärschlamm eingesetzt werden. Für die Herstellung kommen Konversionsverfahren wie Vergasung und Pyrolyse zum Einsatz. Eine Entwicklungsroute bei Fraunhofer UMSICHT basiert auf einer solchen Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe. Ein entsprechendes Verfahren wurde so weit entwickelt, dass sich selbst aus ungünstigen Ausgangsstoffen wie Klärschlamm oder Gärresten hochqualitatives Öl und Gas erzeugen lässt. Die Gasmischung ist reich an Wasserstoff und CO2 und wird beispielsweise in der Methanolsynthese oder Fischer-Tropsch-Synthese eingesetzt. Eine Abtrennung und separate Nutzung des Wasserstoffs ist möglich. Das Öl wird durch Hydrotreatment weiterbearbeitet und anschließend in die Kraftstofffraktionen Diesel, Benzin und Kerosin aufgetrennt. Es eignet sich auch für einen direkten Einsatz in Raffinerien.
Die Zukunft bleibt spannend. Vielen Dank.
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