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BRAND STORY

17. Juni 2024

Energiewende und Rohstoffkollaps

Batterien sind eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Doch ohne Zirkularität droht die Energiewende im Rohstoffkollaps zu enden

Das Jahr 1991 war wahrhaft revolutionär. Damals brachte der japanische Elektronikkonzern Sony die Hi8-Videokamera CCD-TR1 auf den Markt. Für die Zeitgenossen sicherlich kein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung, doch in der Rückschau war dieser Schritt ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem erneuerbaren Energiesystem.

Denn mit der CCD-TR1 brachten die Japaner die erste Batterie mit Lithium-Ionen-Technik auf den Markt. Sie ist die Grundlage für unser heutiges mobiles, digitales Leben, treibt die Elektrifizierung immer weiterer Geräte, Sektoren und Lebensbereiche voran und prägt seit vielen Jahren die Entwicklung des Batteriemarktes.

Hier beobachten Experten seit einigen Jahren einen stabilen Trend weg von Einwegbatterien – den sogenannten Primärbatterien – hin zu wiederaufladbaren Sekundärbatterien. Zwar machen Primärbatterien noch immer den Löwenanteil des Marktes aus, aber die in Deutschland in Verkehr gebrachte Menge ist nach Angaben des Umweltbundesamtes seit 2020 rückläufig, während der Anteil der wiederaufladbaren Sekundärbatterien seit 2018 kontinuierlich zunimmt. Doch noch immer sind Alkali-Mangan-Batterien die in Deutschland am häufigsten in Verkehr gebrachten Batterien.

Heute gilt Strom vor allem als ein Schlüssel für eine umweltfreundliche Energieversorgung. Denn Strom ist vergleichsweise einfach erneuerbar zu produzieren und steht dank Sonne, Wind und Biomasse prinzipiell unbegrenzt zur Verfügung. Die Speicherung des Stroms ist die Brücke zwischen einem volatilen, unplanbaren Angebot erneuerbarer Energie und einer von den Lebens- und Produktionszyklen der Menschen bestimmten Nachfrage.

Quelle: UBA

In der Studie „The Lithium-Ion (EV) battery market and supply chain” prognostiziert die Unternehmensberatung Roland Berger, dass die weltweite Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien bis 2030 im Vergleich zu 2019 um das 23-Fache ansteigen wird.

Elektrifizierung des Verkehrssektors verändert den Batteriemarkt

Der Umbau des Energiesystems hat damit unmittelbare Folgen für den Batteriemarkt. Der ist heute im Wesentlichen von der Elektrifizierung des Verkehrssektors gekennzeichnet, die einen entsprechenden Bedarf an Lithium-Ionen-Akkus nach sich zieht. In der Studie „The Lithium-Ion (EV) battery market and supply chain” prognostiziert die Unternehmensberatung Roland Berger, dass die weltweite Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien bis 2030 im Vergleich zu 2019 um das 23-Fache ansteigen wird – von noch recht bescheidenen 134 Gigawattstunden Speicherkapazität auf dann 3.127 Gigawattstunden. Größter Treiber der Entwicklung sind Elektro- und Nutzfahrzeuge.

Quelle: Roland Berger

Ohne Recycling droht der Welt der Rohstoffkollaps

Batterien benötigen Rohstoffe, die zum Teil aus politisch instabilen Regionen oder Ländern mit autokratischen Systemen stammen. Mit der Nachfrage nach Lithium-Ionen-Hochleistungsspeichern wird auch die globale Nachfrage nach ebenjenen Metallen steigen, die das Hin- und Herwandern der Lithium-Ionen zwischen Kathode und Anode ermöglichen. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe sind in einer Auftragsstudie für die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) im Jahr 2021 davon ausgegangen, dass die globale Nachfrage nach entsprechenden Rohstoffen wie Kobalt, Nickel, Lithium und Graphit bereits in einem gemäßigten Nachhaltigkeitsszenario explodieren wird.

Quelle: DERA

„Derzeit wird der Markt von einer Dynamik überrollt, die ich in zwölf Jahren der Rohstoffwirtschaft so noch nicht erlebt habe“, zitierte die Deutsche Welle im vergangenen Jahr den Lithiumexperten Michael Schmidt von der DERA. Diese Dynamik hat dramatische Folgen für die Umwelt, denn allein der Lithiumabbau ist äußerst belastend für die Umwelt: So verursacht der Abbau einer Tonne Lithiumhydroxid aus Hartgestein nach Angaben des auf Life-Cycle-Analysen spezialisierten Unternehmens Minviro rund 15 Tonnen CO2, verbraucht 170 Kubikmeter Wasser und 464 Quadratmeter Fläche.

Um den ökologischen Fußabdruck der Energiewende so gering wie möglich zu halten, ist eine Kreislaufwirtschaft für Batterien notwendig. Sonst folgt auf die Energiewende der Rohstoffkollaps. Moderne Recyclingtechnologien werden es perspektivisch erlauben, bis zu 90 Prozent der Lithium-Ionen-Batterien zu recyceln.

Die Recyclingkapazitäten insbesondere für Lithium-Ionen-Batterien in Europa werden in den kommenden Jahren entsprechend deutlich steigen.

Noch stehen diese Kapazitäten nicht zur Verfügung. Doch bis die derzeit in Verkehr gebrachten Lithium-Ionen-Akkus ihre End-of-Life-Phase erreicht haben, wird es noch etwas dauern. Marktexperten gehen davon aus, dass ab 2027 ein dynamischer Anstieg der Recyclingnachfrage zu erwarten ist.

Quantitativ und technologisch dynamische Entwicklung des Batteriemarktes

Doch den Batteriemarkt zeichnet derzeit nicht nur mengenmäßig eine große Dynamik aus, sondern auch technologisch: Am Markt werden verschiedene Lithium-Ionen-Batterien angeboten, die sich hinsichtlich ihrer Materialzusammensetzung unterscheiden. Während die Anode meist aus Graphit besteht, unterscheiden sich die Ansätze beim Kathodenmaterial signifikant. So verbauen chinesische Hersteller größtenteils Akkus mit Lithium und Eisenphosphat (LFP), während europäische Unternehmen eher auf eine Nickel-Mangan-Kobalt-Mischung (NMC) setzen.

LFP-Akkus sind günstiger als NMC-Varianten, weil bei letzteren das Kobalt den Preis in die Höhe treibt. Dafür verfügen NMC-Akkus über eine höhere Energiedichte. Sie können also mehr Energie speichern als LFP-Akkus. Europäische Autobauer mit ihrem ausgeprägten Hochpreissegment ziehen daher die NMC-Technik vor. Voraussichtlich werden auch in Zukunft beide Technologien nebeneinander existieren, da sie unterschiedliche Märkte oder Marktsegmente bedienen. Wahrscheinlich ist darüber hinaus, dass weitere Akkutechnologien auf den Markt kommen werden.

Quelle: Fraunhofer ISI

Denn Experten diskutieren bereits seit einigen Jahren über sogenannte Feststoffbatterien. Darunter verstehen Fachleute Batterien, bei denen das flüssige Elektrolyt durch einen Feststoff ersetzt wird. Ein Vorteil des Feststoffs ist unter anderem die höhere Dichte des Materials, wodurch der Akku mehr Energie speichern kann. Im Fahrzeugbereich würde das höhere Reichweiten für E-Autos bedeuten. Doch Feststoffbatterien sind sehr teuer und werden daher nur in der Oberklasse Marktanteile erreichen, schätzte Timon Elliger, Research Assistant Battery Components & Recycling beim Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen im vergangenen Dezember gegenüber der Zeitschrift „Produktion“. In den nächsten fünf Jahren würden sie demnach keine große Rolle spielen.

Für die derzeitige Batterie-Infrastruktur wäre ein Schwenk des Marktes Richtung Feststoffbatterien ein Desaster: Die in jüngster Zeit errichteten und geplanten Produktionsstandorte für Lithium-Ionen-Akkus wären überholt, bevor sich die Investition amortisiert hätte. Denn die Herstellung von Feststoffbatterien unterscheidet sich von der Produktion von Akkus mit flüssigem Elektrolyt deutlich.

Die Natrium-Ionen-Technik ist insbesondere interessant, weil die Grundmaterialien deutlich günstiger sind. Darüber hinaus können sie vollständig entladen werden, ohne dass dadurch der Akku zerstört wird.

Quelle: Fraunhofer ISI

Eine solche Disruption würden Natrium-Ionen-Batterien nicht auslösen. Das Prinzip der wandernden Ionen bleibt wie bei Lithium-Ionen-Akkus gleich, und auch das Herstellungsverfahren ist mit dem der derzeit marktgängigen Akkumulatoren vergleichbar. Dadurch könnte der Großteil der existierenden Batterie-Infrastruktur wohl weiterverwendet werden.

Die Natrium-Ionen-Technik ist insbesondere interessant, weil die Grundmaterialien deutlich günstiger sind. Darüber hinaus können sie vollständig entladen werden, ohne dass dadurch der Akku zerstört wird. Lithium-Ionen-Akkus benötigen immer eine – wenn auch niedrige – Grundspannung. Fällt die Spannung unter einen bestimmten Wert – meist 2,6 Volt –, wird die Kupferfolie der Batterie zerstört und der Akku ist hin. Das passiert bei Natrium-Ionen-Akkus nicht, was vor allem die Logistik erleichtern würde. Da die Akkus vollständig entladen transportiert werden können, besteht kein Brandrisiko und entsprechende Gütertransporte wären kein Gefahrgut mehr.

Doch Experten gehen davon aus, dass Natrium-Ionen-Akkus den Markt eher ergänzen werden, statt Lithium-Ionen-Akkus zu verdrängen. Hintergrund ist die deutlich niedrigere Energiedichte von Natrium-Ionen-Akkus im Vergleich zum Lithium-Pendant: So verfügten Natrium-Ionen-Akkus nur über rund 60 Prozent der Speicherkapazität moderner NMC-Akkus, was die Technik im Wesentlichen für kleinere Fahrzeuge interessant mache.

Wohin die Reise im Batteriemarkt geht, ist derzeit nur schwer prognostizierbar. Die Entwicklung hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere der Elektrifizierung des Individualverkehrs. Wahrscheinlich ist, dass mehrere verschiedene Technologien nebeneinander existieren, um die jeweiligen Marktsegmente wirtschaftlich optimal bedienen zu können. Kreislaufwirtschaft ist angesichts der prognostizierten Nachfrage nicht nur eine wünschenswerte Option, sondern ein absolutes Muss, sonst führt die Energiewende eher früher als später zum Rohstoffkollaps. Die hohe Dynamik des Batteriemarktes hinsichtlich der technologischen Entwicklung verringert allerdings die Planungssicherheit der Recyclingindustrie. Das Risiko für Fehlinvestitionen ist signifikant hoch.

Kreislaufwirtschaft ist angesichts der prognostizierten Nachfrage nicht nur eine wünschenswerte Option, sondern ein absolutes Muss …

Bildnachweise: Bild 1: Shutterstock: Smile Fight, Shutterstock: Chesky, Shutterstock: Artiste2d3d; Bild 2, 3: Shutterstock: Artiste2d3d

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