Umweltbehörde der Vereinten Nationen warnt
Das gibt es „wie Sand am Meer“, sagen wir, wenn etwas im Überfluss vorhanden und unerschöpflich ist. Doch unerschöpflich ist Sand keineswegs. Im Gegenteil: Er wird knapp. Das klingt paradox, wenn man an kilometerlange, breite Sandstrände und vor allem an die riesigen Wüstengebiete denkt, die insgesamt rund 35 Prozent der weltweiten Landoberfläche ausmachen – und stetig wachsen. Was ist also dran an der Hiobsbotschaft vom rar werdenden Sand, dass sich sogar die Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP) mit der drohenden Rohstoffknappheit befasst. Und vor allem: Was können wir dagegen tun?
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Sand – ein Tausendsassa unter den Rohstoffen
Sand ist nicht gleich Sand. Die Beschaffenheit des Sandes beeinflusst wesentlich seine Verwendungsmöglichkeiten. Sand aus Flüssen, Seen und Meeren weist eine gebrochene, ungleichmäßige und kantige Form auf. Das macht ihn zu einem geeigneten Zuschlagstoff für die Baubranche, das stärkste Einsatzfeld für Sand. Denn Beton besteht zu zwei Dritteln aus Sand.
Während es tatsächlich Sand wie Sand am Meer gibt, wird der baustofflich verwertbare Sand zusehends knapp.
Wüstensand hingegen ist durch die Witterungseinflüsse glatt und rundlich geformt. Zement kann nicht anhaften. Der höhere Salzanteil sorgt zudem für eine kürzere Haltbarkeit. Für das Bauwesen scheidet Wüstensand daher als brauchbares Material aus. Und genau da liegt das Problem. Während es tatsächlich Sand wie Sand am Meer gibt, wird der baustofflich verwertbare Sand zusehends knapp. Sand wird aber nicht nur für den Bau von Straßen, Dämmen und Häusern eingesetzt. Er dient als Material in Brunnen- und Trinkwasserfiltern, bildet als Quarzsand die Grundlage für die Glasherstellung und ist für die Herstellung von Zahncreme, Wasch- und Reinigungsmitteln, Papier und Kosmetika wichtig. Als Siliciumlieferant ist Sand zudem als Hightech-Wertstoff in Solarzellen und Computerchips enthalten. Sand ist also ein echter Allrounder unter den Rohstoffen.
Dimensionen des Sandverbrauchs
- 15 Mrd. t werden weltweit jährlich aus der Natur (Land + Wasser) abgebaut
- 200 t Sand stecken in einem Einfamilienhaus
- 3.000 t Sand sind in einem Mietshaus oder einem Krankenhaus verbaut
- 4,7 t verbraucht jeder Deutsche (Singapur Weltspitze: 5,4 Tonnen/Einwohner) im Schnitt pro Jahr, 80 Prozent davon stecken in Häusern, Straßen, Brücken
- 240 Mio. t Sand und Kies werden jährlich in Deutschland abgebaut 10 Mio. t davon sind Quarzsand
- 30.000 t Sand werden in einem einzigen Kilometer einer sechsspurigen Autobahn verbaut – 146.000 Kilometer Straßen hat China im Jahr gebaut
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Weltweit wird auf Sand gebaut
Aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist Sand heute nach Wasser der meistverbrauchte Rohstoff der Erde. Hauptanteil daran hat der weltweite Bauboom, vor allem in Asien. China allein verbraucht rund 60 Prozent der weltweit geförderten Sande und Kiese. Innerhalb von drei Jahren verarbeitet die Volksrepublik mehr Sand als die USA in einem ganzen Jahrhundert. Singapur, der flächenmäßig kleinste Staat Südostasiens, ist im konkreten Wortsinn auf Sand gebaut. Die Fläche des Stadtstaates, dessen Bevölkerung sich innerhalb von 50 Jahren verdreifacht hat, wurde seit Anfang der 1970er Jahre durch Aufschüttung von Sand um 20 Prozent vergrößert – und soll noch weiterwachsen. Der Wüstenstaat Dubai schließlich hat allein für die seit 2001 künstlich angelegten Inseln „Palm Islands“ rund 640 Millionen Tonnen Sand und Gestein verbraucht, die nicht aus der eigenen Wüste stammten, sondern aus Australien importiert wurden. Ein gutes Geschäft: Australien verdient daran jährlich rund 5 Milliarden Dollar.
Sandabbau ohne Rücksicht auf Verluste
In Deutschland wird Sand aus dem Meer überwiegend für Aufspülungen zum Schutz der Küsten verwendet. Prominentes Beispiel dafür ist die Insel Sylt. In Ländern wie Kambodscha, Indien, Indonesien oder Marokko gibt es zwar Einschränkungen und Verbote, an die sich aber kaum jemand hält. Der Sand wird ohne Rücksicht auf die nachhaltigen Verluste abgebaut. Die politischen und die ökologischen Folgen sind gravierend: In Indonesien sind zwei Dutzend kleine Inseln dem massiven Sandabbau zum Opfer gefallen und verschwunden. An den Küsten Marokkos sind in den letzten Jahren 50 Prozent der Strände verschwunden. Zurück bleibt karges Gestein. Am Grund des Meeres bilden sich bis zu 10 Meter tiefe Krater, wenn riesige Saugbagger an einer Stelle täglich bis zu 400.000 Kubikmeter Sand absaugen. Bei dieser Prozedur wird Sediment mitsamt seinen Bewohnern aufgewirbelt und aufgesaugt und Lebensraum von Mikroorganismen und Tieren zerstört. Den Menschen, die von der Fischerei leben, wird auf diese Weise die Existenzgrundlage entzogen.
Von versiegenden Sandquellen zu Werkstoffen der Zukunft
Auch wenn hierzulande die Lage noch nicht so prekär ist wie andernorts auf der Welt: Handeln ist geboten angesichts der sichtbaren Negativfolgen des massiven Abbaus und der Tatsache, dass wir an Sandmengen weit mehr verbrauchen, als die Natur bereitstellen kann. Doch was sind Alternativen zum Sand? In welche Richtungen muss man denken oder wird schon gedacht, wenn es z. B. um das Thema nachwachsende oder neuartige Baustoffe geht? Welche Möglichkeiten des Sand- und Betonrecyclings gibt es?
Nachgefragt
Wir wollten es genau wissen und fragten Dr. Rudolf Diegel, bei der REMEX GmbH Experte für Bauschutt, die Aufbereitung und Verwertung mineralischer Abfälle sowie die Produktion von Ersatz- und Recyclingbaustoffen. Das komplette Interview finden Sie im Artikel Aktuelles 2
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