Etwas gegen die Klimakrise tun, das ist für die meisten Menschen erst einmal gleichbedeutend mit Reduzierung und Verzicht. Dafür steht die Minderung des CO2-Ausstoßes von Industrie, Verkehr und Gebäuden. Dass man auch CO2 aus der Atmosphäre wieder entnehmen kann, ist weniger bekannt. Am ehesten denkt man da noch an Aufforstungsprojekte. Oder an die jüngst in Dänemark an den Start gebrachte industrielle Lösung, die Verpressung von Kohlendioxid in einem ehemaligen Erdgasfeld.
Dabei gibt es auch ganz natürliche Kohlendioxidspeicher, etwa Moore, Permafrostböden, Kohle, die Meere und auch die Humusschicht unserer Böden. Auch diese Systeme hat die Menschheit in den vergangenen Generationen über die Maßen ausgelaugt. Aber sie bieten auch die Chance, auf natürliche Weise der Atmosphäre CO2 wieder zu entziehen. Und sie hat viel mit Kreislaufwirtschaft zu tun, findet doch Kompost, gewonnen aus den Stoffen aus der Biotonne, im Humusaufbau ein perfektes Einsatzfeld. Umso schwerer ist deshalb zu verstehen, warum in Deutschland trotz gesetzlicher Pflicht viel zu viele Gemeinden ganz auf die Sammlung von Bio- und Grünabfall verzichten oder auf wenig effektive Bringlösungen setzen.
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit allein in Wäldern und Böden 3,4 Billionen Tonnen Kohlendioxid gespeichert sind.
Die Speicher wieder füllen
Eine CO2-Senke ist ein natürlicher Prozess, in dem Stoffe für lange Zeit mehr Kohlenstoff aufnehmen und speichern, als sie abgeben. Sie sind Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs und haben schon immer das Erdklima in die eine oder andere Richtung beeinflusst. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit allein in Wäldern und Böden 3,4 Billionen Tonnen Kohlendioxid gespeichert sind. Das entspricht, bezogen auf die von Menschen verursachten globalen CO2-Emissionen des Jahres 2022, dem Ausstoß von mehr als 80 Jahren. Andersherum würde das zusätzliche Speicherpotenzial von Wäldern und Böden von mehr als 400 Milliarden Tonnen selbst bei konservativer Schätzung erlauben, die CO2-Emissionen von sieben Jahren aus der Atmosphäre zu ziehen.
Es gibt verschiedene Formen von CO2-Senken. Natürliche Senken sind die Bindung im Gestein durch geologische Prozesse (Kohle) und die Lagerung von nicht komplett abgebauten Pflanzenresten im Boden (Humus) und in Pflanzen, in erster Linie im Wald, aber in kürzeren Zyklen auch in Agrarpflanzen.
Humusaufbau in landwirtschaftlich genutzten Böden könnte ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz sein. Als ein Ergebnis der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 wurde ein globales Programm zum Humusaufbau gestartet. Die 4-Promille-Initiative sieht die jährliche Erhöhung der globalen Bodenkohlenstoff-Vorräte um vier Promille vor, wodurch die von Menschen verursachten CO2-Emissionen nach Einschätzung der Initiatoren der Initiative nahezu ausgeglichen werden könnten.
Humusaufbau in landwirtschaftlich genutzten Böden ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
NABU: Bioabfallsammlung der Kommunen mangelhaft
Der Abfall aus der Biotonne, selten war er so wertvoll wie heute. Sei es als Ausgangsmaterial für Kompost, sei es als Grundstoff für die Biogasgewinnung – oder auch beides. Umso unverständlicher sind deshalb die weißen Flecken in Deutschland, wo Verbraucher unverändert kein Angebot bekommen, ihren Bioabfall in die Verwertung zu geben – und das, obwohl das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Kommunen seit 2015 dazu verpflichtet, ein entsprechendes Angebot zu machen. Erst jüngst hat der NABU in einer umfassenden Studie das Versagen der Kommunen an den Pranger gestellt.
Die Umweltschützer kritisieren, dass es in 15 Prozent der deutschen Landkreise und kreisfreien Städte kein flächendeckendes Biotonnenangebot gibt. Teils wird nicht einmal ein Bringsystem mit Sammelstellen betrieben. In weiteren 14 Prozent der zuständigen Kommunen wird lediglich eine freiwillige Biotonne angeboten. Dabei ist schon lange klar, dass die Pflicht-Biotonne die effektivste Lösung ist. Kreise und Städte mit Pflicht-Biotonne weisen durchschnittlich signifikant niedrigere Restmüllmengen auf als Gebiete mit freiwilliger Biotonne oder Bringsystem. Das bestätigt auch der NABU.
Die bundesweite Anschlussquote an die Biotonne beträgt laut Verband gerade einmal 63 Prozent. Pflicht-Biotonnen führen zu signifikant höheren Anschlussquoten (76 Prozent) als freiwillige Tonnen (46 Prozent). Kreisfreie Großstädte mit Müllverbrennungsanlage sammeln durchschnittlich deutlich weniger Abfälle über die Biotonne und mehr Abfälle über die Restmülltonne als kreisfreie Großstädte ohne Verbrennungsanlage – für Branchenkenner keine Überraschung.
Schon vor der NABU-Studie war klar, dass Deutschland auf diesem Feld noch weit hinter den gesetzlichen Vorgaben zurückliegt: Zwischen 2014 und 2020 ist die erfasste Menge an Bio- und Grünabfällen gerade einmal um zehn Prozent gestiegen.
REMONDIS fordert deshalb seit langem, die Lücken bei der haushaltsnahen Erfassung zu schließen. Wenn 2020 im Restmüll noch immer 39 Prozent biogene Stoffe enthalten waren, so das Bundesumweltamt (UBA) in einer Schätzung, läuft bei der Abfallsammlung noch zu viel schief. Ein zu großer Teil der Biomasse – und damit der entsprechenden CO2-Menge – landet nach wie vor als Restmüll in der Abfallverbrennung. Entscheidend ist, die Sammlung zum Bürger zu bringen, also auf die Biotonne zu setzen, einen komfortablen Abfuhrrhythmus anzubieten und die Haushalte über die richtige Nutzung aufzuklären, um den Anteil falscher Befüllung zu reduzieren.
Hier gelangen Sie zur NABU-Studie.
Diese Handlungsfelder sieht REMONDIS.
Den Humus reicher machen
Hier setzt Carbon Farming an. Es geht um Maßnahmen zur Kohlenstoffanreicherung in landwirtschaftlich genutzten Böden. Deren Humusschicht hat seit Beginn der Industrialisierung der Landwirtschaft in Deutschland nach Schätzung von Experten zwischen 50 und 70 Prozent des organischen Materials verloren und entsprechend CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Auch die Fähigkeit der Böden, Wasser zu speichern und den Pflanzen in Dürrezeiten zur Verfügung zu stellen hat das stark reduziert. Der Verlust von Humus und damit von CO2-Bindung im Boden hat außer mit einer zu intensiven Nutzung auch mit der Versauerung von Böden zu tun, Stichwort saurer Regen. Sinkt der pH-Wert im Boden, sinkt parallel die Fähigkeit, Humus zu bilden.
Ziel des Humusaufbaus ist es, einerseits den Kohlenstoffverlust durch Pflanzenwachstum und Erosion zu reduzieren und andererseits die Kohlenstoffaufnahme aus der Atmosphäre, aus den abgestorbenen Pflanzen und durch neue Materialeinträge zu erhöhen. Es gibt verschiedene Methoden des Carbon Farming: Agroforstwirtschaft, Pflanzenkohle, Kompost sind die Stichworte.
Sinkt der pH-Wert im Boden, sinkt parallel die Fähigkeit, Humus zu bilden.
Agroforstwirtschaft ist eine Produktionsweise, bei der Elemente des Ackerbaus und der Tierhaltung mit Forstwirtschaft kombiniert werden. Sowohl mehrjährige Bäume wie Obstbäume oder Nutzhölzer als auch einjährige landwirtschaftliche Nutzpflanzen werden auf derselben Fläche gemischt angebaut. Das sorgt dafür, dass die Böden nicht einseitig beansprucht werden.
Pflanzenkohle ist eine moderne Form der Holzkohle. Die Verbrennung von organischem Material erfolgt in einem sauerstoffarmen Prozess, sodass der größte Teil des Kohlenstoffs nicht in die Atmosphäre entweicht, sondern stofflich zurückbleibt. Dieses erstaunlich resistente Material kann in Böden eingearbeitet werden, wo es anstelle klimaschädlicher und teurer Kunstdünger von vielen Generationen Nutzpflanzen als Kohlenstoffquelle langsam verbraucht wird.
Carbon Farming unterscheidet nicht zwischen konventioneller Landwirtschaft und Bioanbau. Von lebendigem Humus profitieren beide Anbaukonzepte.
RETERRA CARBOSOIL: Düngen als Klimaschutzmaßnahme
Die REMONDIS-Tochtergesellschaft RETERRA stellt deutschlandweit an vielen Standorten aus Biomasse gütegesicherte Komposte her, die in der Landwirtschaft nicht nur als Nährstofflieferant dienen, sondern auch den Humusaufbau im Boden fördern und der Übersäuerung entgegenwirken können. Allein mit RETERRA-Komposten ließen sich im Zuge einer Humusanreicherung jährlich 83.000 Tonnen CO2 speichern. Das ist so viel, wie in Deutschland über 2.500 typische Vierpersonenhaushalte emittieren. Damit wird das CO2 nicht mehr nur im Kreislauf geführt, sondern sogar dauerhaft gebunden. Kein Wunder also, dass man bei RETERRA für die Verbesserung der haushaltsnahen Erfassung von Biomasse kämpft, sei es als Grundstoff für nachhaltigen Kraftstoff oder für Kompost.
Um den Nutzen des Komposteinsatzes nachvollziehbar zu machen, hat RETERRA zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) ein Tool namens RETERRA CarboSoil entwickelt.
Anhand definierter Parameter wird die langfristig im Ackerboden gebundene Kohlenstoffmenge ermittelt. So bekommen Landwirte nicht nur eine Handlungsempfehlung für optimal klimafreundliche Bewirtschaftung, sondern auch ganz konkrete Zahlen zum geleisteten Klimaschutzbeitrag, individuell abgestimmt auf das jeweilige Flurstück. Das Tool lässt sich auch dazu nutzen, um einen Nachweis über die konkrete CO2-Einsparung auszustellen. Der könnte sogar als Grundlage für bezahlte Ausgleichsmaßnahmen dienen, wie sie aktuell gerade als Angebot auf den Markt kommen. Statt also schwer verifizierbare Aufforstungsprojekte in Regenwaldgebieten zu finanzieren, könnten Kompensationszahlungen auch in den Humusaufbau vor Ort fließen.
Humusaufbau ist ein Marathonlauf, der über Jahrzehnte geht.
Auch Kompost spielt eine wichtige Rolle beim Humusaufbau von Ackerböden. Kompost ist ein Vollwertdünger aus organischem Material. Neben Ernte- und Pflanzenresten können hier auch aufgearbeitete Reste aus der Biotonne oder aus Grünschnitt dem Humusaufbau im Boden dienen. Auch Gärreste aus Biogasanlagen kommen zum Einsatz. Mit der Kompostgabe wird, durch den hohen Kalk- und Magnesiumanteil, der Versauerung der Böden entgegengewirkt.
Insgesamt macht es die richtige Mischung, die jeder Landwirt anhand der Bedingungen jedes einzelnen Schlages identifizieren muss, um Carbon Farming zu einem Erfolg für das Klima zu machen. Auch eine schonende Bodenbearbeitung, die richtige Fruchtfolge, der Wechsel zwischen Acker- und Weidenutzung gehören zu den notwendigen Veränderungen. Humusaufbau ist dabei ein Marathonlauf, der über Jahrzehnte geht. Und nebenbei löst sich so ein langjähriger Streit in Luft auf: Carbon Farming unterscheidet nicht zwischen konventioneller Landwirtschaft und Bioanbau. Von lebendigem Humus profitieren beide Anbaukonzepte.
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