Und doch werden weltweit nur geringe Kontingente anfallender Plastikabfälle recycelt. Woran liegt das? Was kann man besser machen? Und worin liegen eventuell die Chancen des chemischen Recyclings von Kunststoffen?
Schon seit Jahrzehnten geht es für die globale Kunststoffproduktion steil nach oben. Im Jahr 2020 wurden weltweit 367 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Das entspricht beinah dem Vierfachen der Anfang der 1990er Jahre hergestellten Menge. Prognosen gehen davon aus, dass sich das dynamische Marktwachstum auch künftig fortsetzen wird, getrieben von neuen Anwendungsfeldern des vielseitigen Werkstoffs und dem steigenden Bedarf aufstrebender Volkswirtschaften.
Ein Großteil des heute produzierten Kunststoffs wird zur Herstellung von Verpackungen eingesetzt. In Europa beispielsweise entfallen gut 40 Prozent der Nachfrage auf diesen Bereich. Verpackungen jedoch haben eine besonders kurze Nutzungsdauer. Schneller als andere Produkte werden sie zu Abfall. Und wechseln damit rasch in jenen Bereich, der den Umgang mit Kunststoff herausfordernd macht.
Jahresproduktion an Kunststoff weltweit (in Mio. t)
Quellen: The Compelling Facts About Plastics, Plastics Europe, 2008 | Plastics – the Facts 2021, Plastics Europe, 2021
Weltweit finden lediglich 20 Prozent der angefallenen Kunststoffabfälle ihren Weg ins Recycling.
Den Verbleib des Kunststoffs nach seiner Nutzung hat das Marktforschungsunternehmen Conversio erforscht. Die für das Jahr 2018 erhobenen Ergebnisse der weltweiten Stoffstromanalyse sind ernüchternd. Beinah ein Drittel der globalen Kunststoffabfälle werden nicht gesammelt und somit auch keiner geordneten Entsorgung zugeführt. Ein weiteres knappes Drittel wird zwar erfasst, aber anschließend auf einer kontrollierten Deponie abgelagert. Nur 40 Prozent der Altkunststoffe erfahren somit eine Anschlussnutzung, und zwar zu gleichen Teilen im stofflichen Recycling und in der thermischen Verwertung. Betrachtet man ausschließlich die stoffliche Verwertung, bedeutet das: Lediglich 20 Prozent der globalen Kunststoffabfälle werden tatsächlich recycelt.
Bezogen auf Europa sieht die Bilanz erwartungsgemäß besser aus. Doch auch hier gehen nach wie vor hohe Anteile der ausgedienten Kunststoffe am Recycling vorbei. In der Europäischen Union plus Norwegen, Großbritannien und Schweiz wurden 2020 nur rund 35 Prozent der Kunststoffabfälle aus dem Post-Consumer-Bereich stofflich recycelt. Die verbleibenden 65 Prozent gelangten in die thermische Nutzung oder auf die Deponie – zwei Entsorgungswege, bei denen die im Kunststoff enthaltenen Wertstoffe nicht mehr für einen erneuten Einsatz verfügbar sind.
Verbleib der weltweiten Kunststoffabfälle (2018)
Quelle: Global Plastics Flow 2018, CONVERSIO Market & Strategy, 2020
Die europäischen und insbesondere die weltweiten Stoffströme ausgedienter Kunststoffe zeigen: Trotz aller bereits erzielten Erfolge ist in der Kunststoffverwertung noch reichlich Luft nach oben. Um im Sinne der Circular Economy weitere Potenziale zu erschließen, kommt es darauf an, auch dort Strukturen für Erfassung, Sammlung und Recycling aufzubauen, wo sie derzeit noch nicht oder nur eingeschränkt bestehen. Um die im Kunststoff steckenden Wertstoffe konsequent für eine weitere Nutzung zu erhalten, muss die Deponierung stärker zurückgefahren werden. Parallel gilt es, zur Energiegewinnung eingesetzte Kontingente möglichst weitgehend in ein höherwertiges Recycling umzuleiten.
Verbleib der erfassten Kunststoffabfälle aus dem Post-Consumer-Bereich (EU + Großbritannien, Norwegen, Schweiz, 2020)
Quelle: Plastics – the Facts 2021, Plastics Europe, 2021
Bewährt: Physikalisches Kunststoffrecycling
Auch innerhalb Europas bestehen im Kunststoffrecycling erhebliche Unterschiede. So wurden in Deutschland 2019 zum Beispiel mehr als 99 Prozent der Kunststoffabfälle verwertet, und zwar rund 47 Prozent dieser Menge stofflich und nahezu 53 Prozent energetisch. Über die Ausprägung des Recyclings in den einzelnen europäischen Ländern bestimmen neben entsprechenden Zielsetzungen insbesondere Regulierungen und Vorgaben, beispielsweise das deutsche Verpackungsgesetz. Begleitend kommen Anstrengungen hinzu, wesentliche Anteile von Kunststoffabfällen einzusparen, insbesondere seitens der Industrie und des Handels.
Werden Kunststoffe recycelt, geschieht dies heute durch physikalisches Kunststoffrecycling. Die entsprechenden Verfahren sind bewährt und fest im Markt etabliert. Als einer der Pioniere ist REMONDIS bereits seit über 50 Jahren im Kunststoffrecycling tätig und stellt über zertifizierte Produktionsverfahren in großem Maßstab verschiedenste Recyclingkunststoffe, sogenannte Rezyklate, her. Während des mehrstufigen Aufbereitungsprozesses werden die Kunststoffe mit hoher Trennschärfe sortiert und einer Kombination mechanisch-physikalischer Verfahren unterzogen, darunter Zerkleinerung, Reinigung, Fremdstoffentfrachtung und Extrusion.
Stoffliche Verwertungsquoten im mechanischen Recycling
Quelle: Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2020, 2020
Über die verschiedenen Verarbeitungsstufen hinweg entstehen Granulate, Compounds, Agglomerate oder Mahlgüter mit definierten, gleichbleibenden Eigenschaften, die Primärkunststoff in konstanter Qualität ersetzen. Für die gewonnenen Produkte bestehen stabile Absatzmöglichkeiten. Über alle Segmente hinweg deckt die kunststoffverarbeitende Industrie in Deutschland etwa zwölf Prozent ihres Rohstoffbedarfs über Rezyklate. Im Verpackungsbereich liegt die Einsatzquote bei neun Prozent.
Je sortenreiner das Eingangsmaterial der Recyclinganlagen, desto hochwertiger das im physikalischen Recycling entstehende Rezyklat und seine Einsatzmöglichkeiten. Bei relativ homogenen Abfällen aus der Kunststoffverarbeitung oder Kunststoffproduktion sind Verwertungsquoten von gut 90 Prozent möglich. Bei den durchmischten Fraktionen aus Privathaushalten oder von gewerblichen Endverbrauchern hingegen liegen die Recyclingquoten unter 50 Prozent. Weiterentwicklungen der Sortier- und Aufbereitungstechnik werden den Anteil der nicht recycelbaren Mengen weiter reduzieren. In entsprechende Techniken wird bereits EU-weit investiert.
Der Königsweg zu höheren Recyclingquoten liegt in einer Kombination aus leistungsstarkem physikalischen Kunststoffrecycling und einem sich ergänzend entwickelnden chemischen Kunststoffrecycling.
Ergänzend: Chemisches Kunststoffrecycling
Neben dem physikalischen Kunststoffrecycling rückt zunehmend das chemische Recycling in den Mittelpunkt. Chemisches Recycling wandelt Kunststoffabfälle in Chemikalien um, die sich anschließend als Rohstoffe für chemische Prozesse nutzen lassen. Die Umwandlung kann über unterschiedliche technische Verfahren erfolgen, zum Beispiel über Pyrolyse. Die Kunststoffe werden dabei unter Druck und Temperatureinfluss aufgespalten, in eine gasförmige Phase überführt und anschließend zu einem Pyrolyseöl kondensiert, das in der Herstellung neuer Kunststoffe fossile Primärrohstoffe substituieren könnte. Wesentlicher Vorteil des chemischen Recyclings ist, dass sich die Pyrolyseanlagen mit gemischten Kunststoffabfallfraktionen beschicken lassen. Der chemische Recyclingweg kann somit Kontingente erschließen, die für ein werkstoffliches Recycling weniger oder gar nicht geeignet sind.
Auch beim chemischen Recycling bestimmt das Ausgangsmaterial über den Qualitätsstandard des späteren Recyclingprodukts. Aktuell stehen gemischte Kunststoffabfälle im Mittelpunkt, die zu etwa drei Vierteln aus Polyolefinen bestehen, also aus Polypropylen oder Polyethylen. Die übrigen 25 Prozent können durch andere Kunststoffarten wie PET oder Polystyrol gebildet werden und auch fremde Werkstoffe enthalten, zum Beispiel Metall- oder Papierpartikel. Bei diesen Stoffrelationen ist allerdings zu beachten, dass das chemische Kunststoffrecycling noch am Anfang steht. Durch fortschreitende technologische Reife werden sich perspektivisch komplexere und anspruchsvollere Kunststoffabfallgemische verarbeiten lassen. Für Fortschritte sorgen dabei insbesondere strategische Partnerschaften der Recycling- und Chemiebranche mit den Technologieanbietern.
Weil chemisches Recycling gemischte Fraktionen nutzt, sind die theoretischen Potenziale dieser Verfahrensweise groß. Würden die heute in Europa thermisch genutzten Kunststoffabfälle des Post-Consumer-Bereichs chemisch recycelt, könnten rein rechnerisch mehr als zwölf Millionen Tonnen Material einer höherwertigen Verwertung zugeführt werden – vorausgesetzt, diese Kontingente kämen aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht für ein physikalisches Recycling in Frage. Zusätzliche Optionen ergeben sich durch die weitere Rückführung der Deponierung mit entsprechender Verlagerung der Stoffströme in Richtung Recycling.
Ob physikalisches oder chemisches Kunststoffrecycling: Das Interesse an kunststoffbasierten Recyclingrohstoffen ist groß. Neben Erfordernissen des Klima- und Ressourcenschutzes spielt dabei zunehmend auch das Streben nach einer gesicherten Rohstoffversorgung eine Rolle. Schließlich ist die Produktion der erdölbasierten Kunststoffe in hohem Maße von Importmöglichkeiten und den Entwicklungen des Weltmarktes abhängig. Dass hieraus Unsicherheiten entstehen, hat sich in der jüngsten Vergangenheit deutlich gezeigt. Aufgrund gestörter Lieferketten mussten 2021 in Deutschland rund 35 Prozent der Mitgliedsunternehmen des Verbandes der Chemischen Industrie ihre Produktion herunterfahren, weitere zehn Prozent waren gezwungen, Anlagen vorübergehend stillzulegen. Eine Situation, die sich durch den Ukraine-Krieg und seine Folgen nochmals verschärft hat.
Impulse für ein verstärktes Kunststoffrecycling kommen auch von Seiten der Europäischen Union. Bis 2030 sollen im Rahmen des Green Deals 55 Prozent der Kunststoffverpackungsabfälle recycelt werden. Zusätzlich sind verbindliche Mindestquoten für den Einsatz von recyceltem Kunststoff bei der Neuproduktion geplant. Im Verpackungsbereich kann die eingesetzte Rezyklatmenge mit moderaten Einschränkungen der Eigenschaften rein technisch bereits heute mehr als verdoppelt werden, wodurch sich die Quoten erreichen lassen.
Als limitierender Faktor für das chemische Kunststoffrecycling wirkt, dass dieses Verfahren derzeit nicht als stoffliches Recycling anerkannt ist. Seitens des Umweltministeriums gilt chemisches Recycling in Deutschland zwar als rohstoffliche Verwertung und damit auch als Recycling gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz. Bezogen auf das Verpackungsgesetz hingegen ist eine werkstoffliche Verwertung vorgegeben, die stoffgleiches Neumaterial substituiert. Das gewonnene Pyrolyseöl erfüllt diese Anforderung nicht. Somit lassen sich chemisch recycelte Kontingente nach Einschätzung des Ministeriums rein rechtlich nicht auf Recyclingquoten des Verpackungsbereichs anrechnen.
Über die Sinnhaftigkeit des chemischen Recyclings entscheidet zudem, inwieweit sich das gewonnene Pyrolyseöl stofflich nutzen lässt. Von der Industrie kann das Öl in Cracking-Anlagen in Moleküle aufgespalten werden, die als Ausgangsstoffe für neue Produkte dienen. Welche Produkte in Frage kommen, ist jedoch weitgehend ungeklärt. Entsprechende industrielle Machbarkeitsstudien und Pilotprojekte laufen, stehen momentan aber – ebenso wie das chemische Recycling selbst – noch am Anfang. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Pyrolyseöl an einem frühen Punkt der Produktionskette ansetzt. Bis ein Polymer entsteht, sind – anders als beim Rezyklat – umfangreiche Verfahrensschritte notwendig. Auch ist der Anteil an real nutzbaren Bestandteilen des Pyrolyseöls für die Herstellung von Kunststoffen gering.
Nicht zuletzt kommt es auf die langfristige Wirtschaftlichkeit von Investments in Anlagen zum chemischen Recycling an, die wiederum von der künftigen Marktentwicklung abhängt. Wesentlich ist, ob es gelingt, physikalisches und chemisches Recycling als einander ergänzende Verfahren zu etablieren, die ihre jeweiligen subsidiären Vorteile voll ausspielen können.
In der Praxis darf es dazu keine Konkurrenz um Inputmengen geben. Überwiegend sortenreine Stofffraktionen sind weiterhin dem physikalischen Recycling vorzubehalten, das über die Herstellung von Kunststoffprodukten bereits eine spätere Verarbeitungsstufe adressiert und somit den Energiebedarf vorgelagerter Fertigungsstufen einspart.
REMONDIS ist im Hinblick auf das Kunststoffrecycling ergebnisoffen aufgestellt und treibt beide Verfahren voran. Das etablierte physikalische Recycling in großem Stil steht dabei unverändert im Mittelpunkt. Flankierend unterstützt REMONDIS über Partnerschaften mit der Industrie die Fortentwicklung der verschiedenen Ansätze des chemischen Recyclings. Denn um ambitionierte Nachhaltigkeitsziele, aber auch eine größere Versorgungssicherheit zu erreichen, ist es unerlässlich, die Recyclingleistungen überall dort weiterzubringen, wo es technisch und wirtschaftlich machbar ist.
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