Recycling in Deutschland funktioniert. Der Ausbau der Erfassung von Reststoffen auch über die Verpackungen hinaus erhöht die Mengen, die im System bewegt werden – und damit den Zugriff auf wertvolle Recyclingrohstoffe. Zugleich haben technische Innovationen beim Einsatz von recycelten Wertstoffen in den letzten Jahrzehnten die Verwertungsoptionen erweitert. Und das System hat noch mehr Potenzial, wie die aktuelle Debatte um den Einsatz von Biogas aus Bio- und Gartenabfällen als Ersatz für importiertes Erdgas zeigt.
Kein Wunder also, wenn Recycling-Know-how als Stärke des Standortes Deutschland gilt und vergleichbare Ansätze weltweit verfolgt werden. So wollen viele Länder die Umweltverschmutzung insbesondere mit Plastikmüll in den Griff bekommen. Mehr und besseres Recycling gilt bei Experten zugleich als einer der Eckpfeiler bei der Bekämpfung der globalen Klimakrise. Außerdem steht im Zusammenhang mit zunehmender Knappheit von Primärrohstoffen „Urban Mining“ für das Konzept, die Schätze im Abfall wieder nutzbar zu machen.
Umso überraschender ist es deshalb, wenn alte Vorurteile aufgewärmt werden, die die nachweislichen Erfolge der Recyclingwirtschaft bestreiten. Statt beim Verbraucher das Engagement für die Kreislaufwirtschaft zu stärken, werden Zweifel gesät, indem man Unvergleichbares vergleicht, Zahlen aus dem Zusammenhang reißt und Fehlleistungen einzelner zur Bewertung des Ganzen heranzieht. Zeit also, Fakten sprechen zu lassen, um Vorurteile zu widerlegen:
Vorurteil: Recycling bezieht sich in erster Linie oder ausschließlich auf Kunststoff.
Fakt: Wenn vor kurzem in einer Fernsehsendung von einer „Recyclinglüge“ die Rede war, steht schon dieser Titel für eine falsche Wahrnehmung. Denn tatsächlich ging es lediglich um Kunststoff – und überwiegend sogar nur um die Kunststoffe, die in Verpackungen zum Einsatz kommen. Die Recyclingwirtschaft erfasst, sortiert und verwertet aber viele verschiedene Materialien aus privater und gewerblicher Sammlung: von Papier über Glas, Holz, Mineralien, Baustoffe, Chemikalien bis Kunststoff und Verpackungen. Recycelt wird davon so gut wie alles, in vielen Teilsegmenten auf Grund gesetzlicher Vorgaben, in anderen, weil es einen Markt für die Stoffe gibt, der mit dem steigenden Umweltbewusstsein und vor dem Hintergrund der akuten Ressourcenknappheit zu recht immer weiter wächst und längst über den Bereich der Kunststoffe hinausgeht.
Vorurteil: Nur fünf Prozent der Kunststoffe aus der Sammlung von Verpackungen werden wertstofflich recycelt.
Fakt: Das ist nicht richtig. Nach Angaben der Zentralen Stelle Verpackungsregister wurden 2020 in Deutschland schon 60,6 Prozent der von den Herstellern lizenzierten Kunststoffverpackungen von den Dualen Systemen erfasst und dann verwertet. Damit ist sichergestellt, dass diese Mengen in geeigneter Form wieder genutzt werden. Ab 2022 schreibt der Gesetzgeber im Übrigen eine Quote von mindestens 65 Prozent vor. Der gesamten REMONDIS-Gruppe und dem Branchenverband BDE sind keine Zahlen bekannt, die Abweichungen von über 55 Prozent belegen. Im Gegenteil: Mit Investitionen in modernste Sortier- und Verwertungstechnik arbeitet die Recyclingwirtschaft schon heute – ohne verbindliche Design-for-Recycling-Vorgaben und ohne Verbraucheranreize – daran, die Recyclingquoten von Verpackungsmaterialien wie Kunststoffen bestmöglich auszuschöpfen.
Vorurteil: Die erfassten Verpackungsabfälle werden ins Ausland verschoben und dort unsachgemäß entsorgt.
Fakt: Die Zahlen der Zentralen Stelle zeigen, dass im Jahr 2020 gut 80 Prozent der Kunststoffverpackungen in Deutschland verwertet wurden, knapp 20 Prozent gingen überwiegend in andere EU-Länder. Nur ein kleiner Anteil von drei Prozent wurde in Länder außerhalb der EU exportiert. Studien zeigen: Das globale Kunststoff-Problem wird in erster Linie durch das Fehlen oder die nur rudimentäre Abfallerfassung in vielen Entwicklungs- und insbesondere Schwellenländern getrieben, die wegen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung auch beim Einsatz von Kunststoffverpackungen ein hohes Wachstum aufweisen. Anders als in Deutschland, müssen Inverkehrbringer von Verpackungen in keinem anderen Land sicherstellen, dass ihre Materialien als Abfall erfasst, sortiert und verwertet werden. Da ist es kaum verwunderlich, dass in diesen Ländern der kostengünstigste Weg der Beseitigung gewählt wird. Ziel muss es daher sein, in den Schwellenländern ein vergleichbares System zur Erfassung und Verwertung von Abfällen zu etablieren, um den Eintrag von Kunststoff- und anderen Abfällen in die Umwelt zu verhindern. Ein vollständiger Stopp der Abfallexporte aus Deutschland hätte darauf keine nennenswerten Auswirkungen – auch wenn eine bessere Kontrolle über Verbleib und Verwertung exportierter Stoffe zweifelsohne dringend notwendig ist.
Vorurteil: Nur die Wiederverwertung im gleichen Produkt ist Recycling.
Fakt: Die Europäische Union und das Kreislaufwirtschaftsgesetz definieren eine klare Rangfolge beim Vorgehen: Vermeiden, recyceln, thermisch verwerten, deponieren. Beim Recycling ist zwar das Ziel, eine Verwendung zu finden, die Neumaterial ersetzt. Doch das ist bei allem technischen Fortschritt noch nicht immer 1:1 möglich. Deshalb ist das Downcycling, also der Einsatz in anderen Produkten mit Blick auf eingesparte Energie und den CO2-Fußabdruck, immer noch deutlich sinnvoller als alles einfach zu verbrennen – selbst wenn damit Energie gewonnen wird.
Vorurteil: Recyceltes Material darf für Lebensmittelverpackungen nicht eingesetzt werden.
Fakt: Das stimmt bedingt, sollte aber überdacht werden. Da steht die EU sich selber im Weg, weil sie einerseits mit Blick auf die Lebensmittelsicherheit recyceltes Material fast vollständig verbietet, andererseits im Rahmen des Green Deals aber mehr Recycling fordert. Nur PET aus Getränkeflaschen kann aktuell uneingeschränkt für neue Flaschen eingesetzt werden.