Unmengen grüner Wasserstoff benötigt
Die Vision vom grünen Stahl, bei dem der Energiebedarf durch regenerativ erzeugten Wasserstoff gedeckt wird, erscheint angesichts des damit verbundenen enormen Bedarfs an Ökostrom in absehbarer Zeit als wenig realistisch. Dabei gibt es grünen Stahl schon längst, doch sein Potenzial wird immer noch unzureichend genutzt. So ganz neu ist die Idee der industriellen Produktion mit Hilfe von Wasserstoff nicht. Bereits heute benötigt die deutsche Industrie jährlich rund 1,7 Millionen Tonnen reinen Wasserstoff als Rohstoff oder Energieträger. Der Haken: Für dessen Herstellung werden über fünf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittiert. Wollte man diese Menge zukünftig durch grünen Wasserstoff ersetzen, wären für dessen Produktion etwa 24 Terawattstunden pro Jahr regenerativ erzeugter Strom zusätzlich notwendig. Das entspräche der Leistung von circa 18 großen Offshore-Windparks. Wie das aussieht, kann man heute bereits im Meer vor Borkum sehen, wo bislang nur zwei Windparks mit insgesamt 72 Turbinen errichtet worden sind. Ein genehmigungsrechtlicher Alptraum und mit dem Natur- und Artenschutz schlichtweg unvereinbar. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, das klimafreundliche Metallrecycling stärker in den Fokus zu rücken.
Metallrecycling: Lösung mit Tradition
Metallrecycling gibt es schon seit der Antike. TSR Recycling noch nicht ganz so lange, aber der Beitrag des Unternehmens zur klimafreundlicheren Stahlproduktion wächst stetig. Bereits heute bringt das Unternehmen der REMONDIS-Gruppe rund 8,5 Millionen Tonnen Recyclingmetalle zurück in den Produktionskreislauf – ohne zusätzlich natürliche Ressourcen auszubeuten und das Klima durch lange Transportwege zu belasten. Das erscheint angesichts des fortschreitenden Klimawandels auch als dringend geboten. Doch in der öffentlichen Diskussion weht der Wind derzeit in eine andere Richtung.
Verzicht auf Kohle und Koks
Hierzulande ist als Mittel zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei der Stahlproduktion vor allem vom sogenannten grünen Stahl die Rede. Obwohl es keine offiziell gültige Definition dafür gibt, versteht man unter grünem Stahl jenen, der während des Schmelz- und Weiterverarbeitungsprozesses möglichst keinerlei CO2 emittiert. Voraussetzung dafür wären ein gänzlicher Verzicht auf Kohle und Koks als Energieträger und Reduktionsmittel beim Schmelzprozess sowie die Bereitstellung ausreichender elektrischer Energie, die zur Gänze aus regenerativen Quellen stammen müsste. Was uns wiederum zur eingangs beschriebenen Bedarfsrechnung führt.
40 Millionen t Rohstahl werden jährlich in Deutschland produziert
Komplett grüne Stahlproduktion illusorisch
Etwa ein Drittel der weltweiten Rohstahlproduktion wird mit Elektrolichtbogenöfen produziert, Tendenz stark steigend. Dieses Verfahren kommt vor allem beim Einschmelzen von Stahlschrotten und bei der Produktion von hochwertigen Speziallegierungen zum Einsatz. Käme der dafür benötigte Strom ausschließlich aus regenerativen Quellen, wäre alleine das ein großer Schritt in Richtung Klimaneutralität. Doch angesichts einer Rohstahlproduktion von zuletzt immerhin noch knapp 40 Millionen Tonnen in Deutschland (knapp 160 Millionen Tonnen in der EU) und der beschriebenen Probleme bei der Erzeugung der notwendigen Mengen grünen Wasserstoffs erscheint es unwahrscheinlich, die gesamte Stahlproduktion auf diesem Weg klimaneutral zu gestalten.
Mit mehr Recycling zum Green Deal
Um dennoch die Anforderungen des Green Deals zu erfüllen und Stahl zu einem deutlich klimaneutraleren Produkt zu machen, bietet sich nicht nur der konsequente Einsatz von Qualitätsstahlschrott in Elektrolichtbogenöfen an, sondern auch der erhöhte Einsatz in integrierten Stahlwerken. Die Produktion von Stahl aus Qualitätsstahlschrott emittiert nach Berechnungen der Georgsmarienhütte nur etwa 0,12 Tonnen CO2 pro Tonne Rohstahl auf der Elektrostahlroute. Selbst wenn man die CO2-Bilanz des aktuellen Strommixes hinzurechnet, ergibt sich eine CO2-Last aus direkten und indirekten Emissionen von etwa 0,4 Tonnen CO2 pro Tonne Rohstahl.
Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden hat berechnet, dass heute weltweit etwa 28 Prozent des Stahls aus aufbereitetem Schrott hergestellt werden. Dieser Wert könnte nach seriösen Schätzungen auf etwa 50 Prozent gesteigert werden, ein Riesenschritt für den Klima- und Ressourcenschutz.
Voraussetzung sind die weltweite Einführung vollumfänglicher Sammelsysteme für Altmetalle, die Gewährleistung der Materialqualitäten durch effiziente mechanische Aufbereitung sowie der möglichst vollständige Verzicht auf fossile Brennstoffe beim Schmelzprozess. TSR geht diesen Weg bereits und leistet mit seinen gut acht Millionen Tonnen Stahlschrott einen erheblichen Beitrag zur klimaneutralen Stahlproduktion.
Heute werden etwa 28 Prozent des Stahls aus aufbereitetem Schrott hergestellt
Dieser Wert könnte nach seriösen Schätzungen auf etwa 50 Prozent gesteigert werden
Kombination unterschiedlicher Ansätze
Statt also so viel grünen Stahl wie möglich mittels der bereits etablierten Methode der Altmetallschmelze zu produzieren, setzt man auf die Herstellung von grünem Wasserstoff als klimaneutralem Energieträger, ein Schritt, der nach Einschätzung von Branchenexperten und angesichts des stockenden Ausbaus regenerativer Stromerzeugung frühestens ab dem Jahr 2035 realistisch erscheint. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass beim sich zunehmend durchsetzenden Elektrolichtbogenofen eine vergleichbare Stahlqualität, wie sie in der konventionellen Hochofenroute erzeugt wird, nur durch verbesserte Inputqualitäten beim Stahlschrott möglich ist. Im Elektrolichtbogenofen wird bereits heute zu 100 Prozent Stahlschrott eingesetzt.
Die angestrebte vollständige Dekarbonisierung der Stahlherstellung kann nur durch die Kombination verschiedener Ansätze erreicht werden. Erstens müssen Hochöfen, die Koks und andere fossile Brennstoffe verfeuern, nicht nur auf klimaneutrale Energieträger umgestellt werden, sondern kontinuierlich durch Anlagen auf Basis von grünem Wasserstoff ersetzt werden. Hier sind neben hohen Investitionen auch kluge politische Vorgaben zur Steuerung des Marktes erforderlich, um die Technologie wirtschaftlich langfristig tragfähig zu machen. Zweitens muss bis auf Weiteres auch der übergangsweise Einsatz von Erdgas als Energieträger zugelassen werden, da hier bereits bei der Eisenerzreduktion und Herstellung von Eisenschwamm eine Einsparung von rund 65 Prozent der CO2-Emissionen erreicht wird. Bis irgendwann in der Zukunft ausreichend grüner Wasserstoff aus nationaler Produktion und dem Import aus Partnerländern zur Verfügung steht, leistet diese Übergangstechnologie schon jetzt einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz.
„Der Einsatz von qualitativ hochwertig aufbereitetem Stahlschrott in der Stahlproduktion liefert schon heute grünen Stahl. Mit gezielter Förderung und Qualitätssicherung können Recyclingrohstoffe einen erheblichen Anteil des Rohstoffbedarfs der europäischen Industrie decken.”
Bernd Fleschenberg, Geschäftsführer TSR
Weichenstellung durch Politik
Drittens muss die Sammlung, qualitativ hochwertige Aufbereitung und Einsatzquote von Recyclingrohstoffen bei der Stahlproduktion deutlich erhöht werden. Ein oft unterschätzter Umweltaspekt ist dabei auch die regionale Verfügbarkeit des Recyclingrohstoffs. Weniger Transporte und so gut wie kein Landschaftsverbrauch bei der Produktion erhöhen noch einmal die günstige Umwelt- und Klimabilanz des Qualitätsstahlschrotts. Ziel sollte daher auch der Einsatz in der heimischen Industrie sein und nicht der Export des Materials. Die Politik ist angehalten, alle genannten Verfahren und Wege zu unterstützen, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Immerhin liegt darin ein höheres CO2-Einsparpotenzial als bei der Elektromobilität oder der Brennstoffzelle für den Individualverkehr.
TSR leistet bereits heute mit über 3.000 Mitarbeitern und 80 Anlagen an 150 Standorten in 13 Ländern einen bedeutenden Beitrag für das Erreichen des gemeinsamen Ziels: klimaneutrale Stahlproduktion auf Basis von hochwertigen metallischen Recyclingrohstoffen, auch ohne grünen Wasserstoff.
TSR in Zahlen
Bildnachweise: Bild 1: © T. Luettgen, Bild 2–3: © REMONDIS