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30. Oktober 2024

Kein Witz: Lachgas ist wieder da

Recyclingbranche steht vor wachsenden Herausforderungen

Aus alten Stummfilmen kannte man es noch, das Lachgas: So nutzte Charlie Chaplin 1914 in seinem Film „Laughing Gas“ das komödiantische Potenzial der Wirkung von Distickstoffmonoxid (N2O) auf Menschen. Das Gas kam damals bei Zahnärzten als Betäubungsmittel zum Einsatz. Noch heute wird der Stoff in unterschiedlichen medizinischen Feldern zur Beruhigung eingesetzt – und macht in Großstädten seit kurzem als Partydroge Karriere.

Neben der gesundheitlichen Gefahr für die meist jungen Partygänger werden Lachgaskartuschen deshalb gerade zur nächsten Herausforderung für die Recyclingbranche. Einerseits fehlt es an eingespielten Prozessen und Kapazitäten für die Verwertung, andererseits richten nicht vollständig entleerte Kartuschen Schäden in Verbrennungsanlagen durch Explosionen an. Hier werden schon jetzt Millionenbeträge zur Reparatur benötigt.

Recyclingunternehmen schlagen bundesweit Alarm

Entsprechend kommen etwa aus Hamburg, Berlin und Frankfurt gleichlautende Klagen: Allein in Frankfurt wurden bei der FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH, einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft zwischen der Stadt Frankfurt und REMONDIS, im Jahr 2023 etwa 4.000 Gaskartuschen separat erfasst bzw. aus dem Abfall separiert, um Gefahren und Schäden in der weiteren Behandlung zu vermeiden. Die Verwertungskosten liegen im sechsstelligen Bereich.

Zu kaufen sind die Kartuschen – meist als Treibmittel für die Herstellung von Schlagsahne deklariert, aber separat verkauft – auffälligerweise gerne in innerstädtischen Kiosken und Spätis sowie an Verkaufsautomaten. Auch online ist das Angebot von Versandfirmen beeindruckend groß.

Die Kartuschen sind aus Stahl oder Aluminium gefertigt und mit mindestens acht Gramm Gas befüllt. Sind sie komplett leer, ist der Weg ins Altmetall vorgezeichnet. Ist der Inhalt aber noch nicht ganz verbraucht, stellen sie eine erhebliche Gefahr für die Mitarbeiter der Recyclingunternehmen sowie deren Fahrzeuge und in der Müllverbrennungsanlage dar – können sie doch explodieren und dabei erhebliche Schäden anrichten. Zumal sie oft achtlos im Hausabfall landen oder einfach in die öffentlichen Abfalleimer in der Stadt geworfen werden, wo sie dann von der Stadtreinigung abgeholt werden und in der thermischen Verwertung landen.

So konnte die ITAD, die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland, im Rahmen einer Befragung ihrer Mitglieder schon im Frühjahr 2024 feststellen, dass sich seit Anfang 2023 in wenig mehr als einem Jahr die Schäden pro Monat an den Schaugläsern der Verbrennungsöfen verdreifacht haben (siehe Grafik). Über diese Sichtfenster kann die Mannschaft des Verbrennungsofens in die Anlage schauen. Zwar kann nur in wenigen Fällen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Schäden und einer Lachgaskartusche hergestellt werden. Doch stellen die Funde von zerstörten Lachgaskartuschen im Schlackebunker nach der Verbrennung ein starkes Indiz dar.

Grafik ITAD über Schäden pro Monat an den Schaugläsern der Verbrennungsöfen

Verwertungswege eingespielt, Kapazitäten begrenzt

Eigentlich gibt es für solche Gasflaschen eingespielte Verwertungswege, wie Deimantas Herrmann von REMONDIS Industrie Service in Bramsche betont. Dort laufen im Monat aktuell Kartuschen in einer hohen dreistelligen Zahl auf, werden bei Bedarf manuell restentleert, das Gas danach verbrannt, um schädliche Klimaeffekte zu vermeiden und die Kartuschen nach der Zerlegung in zwei Teile in die Altmetallverwertung gegeben.

Die hier anfallenden Mengen kommen dabei aus unsachgemäßer Entsorgung und sind auch zum Teil überhaupt nicht gesetzeskonform lizensiert oder gekennzeichnet. Entsprechend muss der Finder die Entsorgungskosten tragen. Es handelt sich um kommunale Stadtreinigungen oder Privatpersonen, die Kartuschen aus Parkanlagen oder privaten Grund anliefern, aber auch um Zoll oder Polizei, die solche Kartuschen beschlagnahmen.

Auch im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne stellen nicht komplett entleerte Kartuschen eine erhebliche Gefahr insbesondere bei der maschinellen Sortierung dar. Deimantas Herrmann betont: „Es gibt aktuell in Deutschland nach meiner Einschätzung keine ausreichenden Kapazitäten, um alle anfallenden Kartuschen fachgerecht zu entsorgen.“

Der Handlungsdruck auf manche Kommunen angesichts der neuen Herausforderung manifestiert sich in recht unterschiedlichen Ratschlägen an die Bürgerinnen und Bürger, wie sie mit den Gaskartuschen umgehen sollen: Empfehlen einige den Gelben Sack bzw. die Gelbe Tonne als Verwertungsweg, nennen andere ihre Wertstoffhöfe als geeignete Anlaufstelle. Und schließlich gibt es hier und da auch den Hinweis, die Kartuschen nicht dem eigenen Wertstoffhof, sondern dem lokalen Gashändler zur Rückgabe anzudienen. Insgesamt also – trotz eigentlich klarer Regeln – keine befriedigende Situation für alle Beteiligten.

„Es gibt aktuell in Deutschland nach meiner Einschätzung keine ausreichenden Kapazitäten, um alle anfallenden Kartuschen fachgerecht zu entsorgen.“

Deimantas Herrmann, REMONDIS Industrie Service in Bramsche

Pfand oder Verbot?

Thomas Drewer, in der REMONDIS-Region Südwest unter anderem für die Aktivitäten des Unternehmens in den gemeinsam mit kommunalen Partnern betriebenen Abfallverbrennungsanlagen in Frankfurt und Mainz verantwortlich, appelliert deshalb zunächst einmal an die Nutzerinnen und Nutzer: Sie sollten die Kartuschen vor allem nicht einfach in der Natur entsorgen. „Am Ende“, so Drewer, „werden wir eine Lösung brauchen, die die Rückgabe der Kartuschen entweder über eine Pfandlösung attraktiver macht. Oder man nimmt mit Blick auf das Gesundheitsrisiko das Produkt, wie etwa in den Niederlanden oder Großbritannien, faktisch ganz vom Markt.“

Sammelbehälter voll mit Lachgaskartuschen

Lachgas

Lachgas, auch bekannt als Distickstoffmonoxid (N₂O), farblos und nicht brennbar, verbreitet einen leicht süßlichen Geruch. Allerdings ist es hoch reaktionsfähig und kann bei hohen Temperaturen oder zusammen mit bestimmten Stoffen Brände und Explosionen auslösen.

Das Gas wird in unterschiedlichen Feldern, teils versetzt mit Sauerstoff, verwendet. In der Medizin wird Lachgas aufgrund seiner schmerzstillenden und betäubenden Wirkung zusätzlich bei Narkosen eingesetzt, insbesondere in der Zahnmedizin und Geburtshilfe. In der Industrie dient es als Treibgas in Spraydosen und als Aufschäummittel in Sahnespendern. So gelangt es auch zum Endverbraucher. Zudem wird es in der Landwirtschaft als Düngemittel verwendet.

Lachgas ist klimaschädlich. Es ist ein starkes Treibhausgas, das etwa 265-mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid. Lachgas verbleibt über 100 Jahre in der Atmosphäre und trägt sowohl zur globalen Erwärmung als auch zum Abbau der Ozonschicht bei.

Für den Menschen ist Lachgas beim Einatmen ein Gesundheitsrisiko. Es kann zu Schwindel, Benommenheit und Übelkeit kommen. In hohen Konzentrationen drohen Bewusstlosigkeit und Sauerstoffmangel, was Hirnschäden verursachen kann. Regelmäßiger Konsum von Lachgas kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen, auch die Atemwege und die Lunge können geschädigt werden.

Lachgas hemmt im Körper die Verwertung von Vitamin B12, was für die Gesundheit von Blut- und Nervenzellen wichtig ist. Als Partydroge verwendet, birgt Lachgas zusätzliche Gefahren: Es kann zu Koordinationsstörungen, Thrombosen, Embolien und Herzinfarkten führen. Zudem besteht die Gefahr von Unfällen durch Benommenheit und Desorientierung.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Bildnachweise: Bild 1: Shutterstock: Daniel Holking; Bild 2: Shutterstock: NeydtStock; Bild 3, 4: © REMONDIS; Bild 5: Freepik: starline

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