Skip to main content
suche

1. Juni 2023

Rohstoffsicherung in einer neuen Dimension

Deutschlands größte Wertstoffaufbereitungsanlage steht in den Startlöchern

Die Dimensionen sind imposant: Verteilt auf drei Hallen mit über 11.000 m2 Gesamtfläche arbeitet eine technische Innovation, die in Zukunft jährlich 180.000 Tonnen Haushalts- und Gewerbeabfälle zu Ersatzbrennstoff für Kraftwerke und die Zementproduktion verarbeitet, Metalle heraussortiert und Feuchtigkeit entzieht. Dabei kommen bei der neuen Wertstoffaufbereitungsanlage der GWA RE technische Lösungen zum Einsatz, die in dieser Kombination bisher in Deutschland nicht eingesetzt wurden. Aktuell läuft die Anlage in Lünen auf dem Gelände des Lippewerks im Probebetrieb. Voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2023 soll es dann richtig losgehen. Insgesamt wird in die Anlage ein signifikanter zweistelliger Millionenbetrag investiert.

Betrachtet man die Abfallhierarchie, die im deutschen Abfallrecht vorgegeben ist, sind die Dinge klar und einfach. Was nicht vermieden wird, muss wiederverwendet werden können. Geht das nicht, ist zumindest Recycling ein Muss. Erst dann kommen Verbrennung und ganz am Schluss die Beseitigung/Deponierung. So richtig, so einfach. Doch die Realität ist komplexer: Nach den aktuellsten Zahlen des Umweltbundesamtes gehörten 2020 nur 32,6 Prozent des Inhalts der Grauen Tonne wirklich dort hinein. Damit werden erst einmal fast 40 Prozent Bioabfälle und die mehr als 27 Prozent Wertstoffe aus der Tonne dem Verwertungskreislauf und einem sinnvollen Recycling entzogen. Stattdessen landen die Stoffe in der Regel in der Müllverbrennung, wo häufig noch Brennstoff hinzugegeben werden muss, um eine saubere Verbrennung sicherzustellen.

Da servieren Deutschlands Haushalte und Gewerbebetriebe der Recyclingbranche also eine komplizierte Mischung, der man mit der Abfallhierarchie nur bedingt beikommt. Alles wieder auseinander zu sortieren, ist dabei weder aus Sicht der Klimabilanz sinnvoll, noch wirtschaftlich machbar. Trotzdem gibt es technische Wege, den Abfall durch Verarbeitung zu veredeln.

Genau dafür hat GWA RE, ein Gemeinschaftsunternehmen der kommunalen GWA des Kreises Unna und REMONDIS, jetzt in Lünen Deutschlands größte Wertstoffaufbereitungsanlage errichtet, die derzeit schrittweise in Betrieb geht. Hauptprodukt ist Ersatzbrennstoff für Kraftwerke und Zementwerke, außerdem wird Metall aus dem Stoffstrom herausgezogen und recycelt.

Die Anlage

Die Dimension mit einer Anlagenkapazität von 180.000 Tonnen pro Jahr ist bisher einmalig in Deutschland. Geplant ist, in Zukunft pro Jahr 100.000 Tonnen Gewerbeabfälle, 70.000 Tonnen Haus- und Sperrmüll sowie rund 10.000 Tonnen sonstige Abfälle zu verarbeiten. In drei Hallen mit mehr als 11.000 m² Fläche im Lippewerk findet die Sortierung statt. In einem ersten Schritt, der Vorzerkleinerung, wird die Voraussetzung dafür geschaffen, die Stoffe problemlos sortieren zu können. Dann werden in mehreren Folgeschritten Stoffe wie Eisen und Aluminium aus dem Stoffstrom herausgeholt, das Material wird durch die Prozesswärme und die Belüftung – quasi nebenher – außerdem getrocknet. In der Nachzerkleinerung wird dann der sogenannte Fluff produziert, Schnipsel von einer Größe von höchstens 30 mm. Die können dann als Ersatzbrennstoff in Kraft- und Zementwerken statt fossiler Brennstoffe eingesetzt werden. Fluff ist gerade in Zeiten hoher Energiepreise ein attraktives Produkt.

Erste Erfahrungen zeigen, dass die Anlage die geplanten Leistungsparameter ohne Probleme erfüllt. Restabfälle aus dem Hausmüll können mit bis zu 70 Tonnen pro Stunde verarbeitet werden, bei Gewerbeabfällen liegt man bei rund 40 Tonnen pro Stunde. Patrick Wicker, Geschäftsführer GWA REsource Kreis Unna, betont: „Die Ausbeute an Ersatzbrennstoffen liegt bisher über den Erwartungen. Es zeigt sich aber auch, dass ein Projekt dieser Größe durchaus technische Herausforderungen mit sich bringt, die wir aber dank der Mitarbeiter bisher mit viel Einsatz und guten Ideen meistern konnten. Von den Erfahrungen jetzt werden wir beim zukünftigen Anlagenbetrieb ohne Zweifel profitieren.“

Zwei Aspekte machen in erster Linie den Vorbildcharakter der Anlage aus: einerseits kommen hier erstmals in Deutschland bei Gewerbeabfällen sechs Nahinfrarotscanner (NIR) zum Einsatz, andererseits wird erstmals auch aus solchen Abfällen hochwertiger Brennstoff produziert. Vergleichbare Anlagen konnten das bisher nicht, weil Gewerbeabfälle im Vergleich niedrigere Brennwerte als Mischkunststofffraktionen oder Sortierreste haben. Mit Hilfe des innovativen Prozesses gelingt es in der neuen Anlage nun erstmals, auch Gewerbeabfälle für die Herstellung von Ersatzbrennstoff für die Zementproduktion zu nutzen.

„Wir sind davon überzeugt, dass wir in Zeiten knapper Energiemärkte einen wichtigen Beitrag zur Schonung der Ressourcen leisten können.“

Patrick Wicker, Geschäftsführer GWA REsource Kreis Unna

Die Bilanz

Patrick Wicker beschreibt den Beitrag der Anlage zu Klimaschutz und Recycling so: „Wir sind davon überzeugt, dass wir in Zeiten knapper Energiemärkte einen wichtigen Beitrag zur Schonung der Ressourcen leisten können. Die Verwertung ist – jenseits der Abfallhierarchie – höherwertiger als die Verbrennung in einer MVA. Außerdem holen wir rd. 4 Prozent Metalle und bis zu 10 Prozent Wasser aus den Materialien heraus. Das Wasser muss so nicht aufwendig transportiert werden und verschlechtert zudem nicht die Energiebilanz bei der Verbrennung.“

Also eine rundherum runde Sache. Doch ein letzten Mal zurück zur Abfallhierarchie: Auch wenn hier eine technische Lösung mit Vorbildcharakter an den Start geht, wird trotzdem mit erheblichem Aufwand nachgeholt, was zu Hause oder im Betrieb ohne Mühe gelingen könnte. Eine bessere Sortierung in Haushalten und Unternehmen bleibt also die perfekte Lösung – daran ändert auch diese technologische Innovation nichts.

Die Technik

1. Baggervorsortierung

2. ein Vorzerkleinerer
ein M&J 6000, zwei 250kW Motoren, diese treiben zwei Rotorwellen mit jeweils 14 Rotationsmessern

3. zwei Flächensiebe

4. zwei Windsichter

5. jeweils drei Aluminium- und Eisen-Abscheider

6. sechs NIR Scanner
vier mit einer Breite von 2,8 Metern, zwei sind 2 Meter breit

7. Sortierkabine
Betrieb nur in der Anlaufphase geplant, sowie ggf. in Zukunft für mögliche Erweiterung

8. zwei Nachzerkleinerer
Lindner Komet 2800 HP mit jeweils zwei Antriebseinheiten zu ebenfalls 250kW. Der Rotor hat eine Länge von 2,8 Meter mit einem Messer und einer Drehzahl von 367 Umdrehungen in der Minute

Newsletter

Melden Sie sich ganz unkompliziert zu unserem Newsletter REMONDIS AKTUELL mit Informationen zu Leistungen, Produkten und vielen weiteren Infos an.