Wo einst unermüdlich Kohle aus der Tiefe befördert wurde, wo dumpfes Hämmern und das rhythmische Klopfen der Förderräder die Stille durchbrach, wo Arbeiter in schmutzigen Overalls und mit kohlegeschwärzten Gesichtern ihre Arbeit verrichteten: Genau dort spazieren heutzutage Besucherinnen und Besucher zwischen Industriedenkmälern, die wie stählerne Kathedralen in den Himmel ragen. Der Geruch von Öl und Ruß ist längst verflogen, doch die Spuren vergangener Zeiten sind noch weithin sichtbar: Backsteinfassaden, massive Maschinen und Schienen, die nirgendwo mehr hinführen. Die Industriedenkmäler im Ruhrgebiet sind ein Stück Geschichte und zugleich Symbol für den Wandel, den die Region seither erlebt hat.
Damit die historischen Gebäude und Objekte erhalten bleiben, wird dem Denkmalschutz eine große Bedeutung zugeschrieben. Es gilt, das kulturelle Erbe für zukünftige Generationen zu bewahren.
Schauen wir uns einmal „tief im Westen“ zwei konkrete Projekte an: Sowohl beim Bergbau-Museum Bochum als auch an der Kokerei Zollverein in Essen fanden aufwendige Sanierungsarbeiten statt. Spektakuläre Raum- und Arbeitsgerüste und Logistik nach Maß standen dabei auf dem Plan.
In Kürze
Im Ruhrgebiet trifft Geschichte auf Zukunft, wenn der Denkmalschutz die industrielle Vergangenheit lebendig hält. Bei der Sanierung von Wahrzeichen wie dem Förderturm des Deutschen Bergbau-Museums oder der Kokerei Zollverein sorgt XERVON mit technischer Präzision, durchdachter Logistik und viel Leidenschaft dafür, dass diese Symbole der Industriekultur auch für kommende Generationen erhalten bleiben.
„Vom historischen Hintergrund über die außergewöhnliche Form bis zu den beeindruckenden Dimensionen – Einrüstungen wie diese sind spektakulär. Ein solches Projekt durchführen zu dürfen, ist jedem von uns eine besondere Ehre und eine Aufgabe, die mit Stolz erfüllt.“
Maurice Leese, Projektleitung XERVON Gerüstbau, Standort Bottrop
Stählerner Riese in Germaniagrün
Als eines der weltweit größten Museen seiner Art befasst sich das 1930 gegründete Deutsche Bergbau-Museum Bochum mit dem faszinierenden Erbe des Bergbaus. Größtes Ausstellungsobjekt ist der gut 71 Meter hohe Förderturm. Ein stählerner Riese in „Germaniagrün“, der weit über die Grenzen Bochums hinaus bekannt ist. Zwar kam das Fördergerüst erst 1973 von der ehemaligen Dortmunder Zeche Germania nach Bochum, aber seitdem prägt es die Stadtsilhouette und ist ein beliebtes Fotomotiv.
Um die markante Stahlkonstruktion für die nächsten Jahre fit zu machen, stand im vergangenen Jahr ein großes Sanierungsprojekt mit einem ambitionierten Zeitplan an. Denn lediglich 12 Monate waren zur Durchführung angesetzt. Mit drei XERVON-Gesellschaften im Verbund übernahmen die Unternehmen von REMONDIS Maintenance & Services dabei die entscheidenden Gewerke Gerüstbau, Oberflächentechnik und Stahlbau. Insgesamt waren sieben Unternehmen der REMONDIS-Gruppe an der Sanierung des Förderturms beteiligt.
Ein Gerüst für den Förderturm
Der Aufbau des Gerüsts begann im Frühjahr 2024, wobei schon bei der Gerüstgründung Besonderheiten zu beachten waren. Die vier Stützen des Förderturms stehen in zwei Innenhöfen des Museums und laufen nach oben hin zusammen. Vom Boden bis in eine Höhe von 16 Metern wird der Turm dabei von einem Gebäude durchquert. Für die Gerüsterrichtung bedeutete dies: Die im unteren Bereich separat einzurüstenden Stützen mussten so umkleidet werden, dass sich die beiden Gerüstbauten oberhalb des Gebäudes punktgenau auf einer Flucht zusammenführen ließen. Eine Millimeterarbeit, zumal in einem der Innenhöfe ein Trägerrost aus HEB-Trägern zur Lastabtragung erforderlich war.
Um die immensen Mengen an Material reibungslos zum Einsatz zu bringen, folgten die Gerüstbauspezialisten bei der Logistik einer strikten Roadmap. Weil der Platz zur Lagerung im Umfeld des Museums nicht ausreichte, wurde das etwa 750 Tonnen schwere Gerüstbaumaterial just in time angeliefert. Die Streckenplanung für die Lkw war dabei so angelegt, dass Anwohner und Museumsbesucher möglichst wenig gestört wurden. Für den Transport in die Höhe nutzte das Team einen 160-Tonnen-Kran sowie einen 1.500-Kilogramm-Aufzug.
Um den Zeitplan einzuhalten, kam es auf jede Stunde an. Doch wie bei wohl jedem Projekt ergaben sich auch in Bochum Hindernisse. So mussten die Arbeiten an mehreren Tagen aufgrund starken Windes unterbrochen werden. Der daraus resultierende Zeitverzug konnte allerdings mit viel Engagement komplett aufgeholt werden.
Für die weiteren Arbeiten wurde das insgesamt 76.300 einzelne Bauteile umfassende Gerüst nach außen hin vollständig staubdicht eingehaust. Mitte April übergaben die Gerüstbauer den 72 Meter hoch eingerüsteten und eingehausten Förderturm dann planmäßig an das Team von XERVON Oberflächentechnik.
„Die Sanierung von Industriedenkmälern zählt zu unseren speziellen Kompetenzfeldern. Zeitgemäße Ausführung verknüpfen wir dabei zuverlässig mit besonderen Erfordernissen des Denkmalschutzes.“
Hendrik Stammler, Projektleiter XERVON Oberflächentechnik, Standort Bottrop
Korrosionsschutz für mehrere Jahrzehnte
Die treppenförmige Einhausung umhüllte 34 Gerüstetagen – den Einsatzort von XERVON Oberflächentechnik. Von April bis in den Frühherbst hinein statteten die Experten den Förderturm mit einem leistungsstarken Korrosionsschutz aus. Alle Turmelemente zusammengerechnet, ergibt dies eine Fläche von rund 10.000 Quadratmetern, die bearbeitet werden musste. Etwa 10 Tonnen Beschichtungsmaterial und Abdichtstoffe kamen zum Einsatz.
Im ersten Schritt entfernten die Spezialisten für Oberflächentechnik mittels Druckluftstrahlen die vorhandene Altbeschichtung einschließlich Korrosion und Anhaftungen. Die dazu eingesetzten festen Strahlmittel beliefen sich auf rund 500 Tonnen. Um nicht zu viel Gewicht an den Einsatzort zu bringen, wurde das Strahlmaterial in einer Art Kreislauf gefahren: Kompressoren förderten die Mittel kontinuierlich nach oben, wo sie während des Strahlvorgangs direkt wieder abgesaugt und nach unten geführt wurden. Im Spritzverfahren statteten die Coating-Experten die Stahlkonstruktion anschließend mit einem neuen, mehrlagigen Beschichtungssystem und dem bekannten farbigen Endanstrich aus. In den Arbeitsbereichen installierte Heiz- und Klimageräte sicherten dabei die notwendigen gleichbleibenden Umgebungsbedingungen.
Da der Platz im Innern der Einhausung eng bemessen war, musste das technische Equipment weitgehend am Fuß des Förderturms platziert werden. Bei der Baustelleneinrichtung waren also Strahlschläuche, Steuerkabel und andere Zuführungen über weite Strecken zu verlegen, teilweise über 600 Meter.
Kompetenz im Team
Nach Abschluss aller Arbeiten baute der Gerüstbau das 39.000 Quadratmeter umfassende Raum- und Arbeitsgerüst wieder zurück. Trotz des knappen Zeitrahmens und der großen Dimensionen des Projekts verlief die Sanierung des Förderturms planmäßig. Ein Erfolg, der auch auf die enge Verzahnung zwischen den Leistungen aller Beteiligten zurückzuführen ist.
Bei Bedarf bezogen die Experten von Gerüstbau und Oberflächentechnik ergänzende Gewerke der gesamten REMONDIS-Gruppe mit ein. So tauschte XERVON Instandhaltung stark angegriffene Stahlbauteile des Förderturms aus. BUCHEN UmweltService sorgte vor den Oberflächenarbeiten für die Sauberkeit der Arbeitsbereiche. Die Kompressoren für den Drucklufttransport stellte BUCHEN EnergyServices bereit. Weitere REMONDIS-Gesellschaften wie das auf Mineralstoffentsorgung spezialisierte REMEX übernahmen die Entsorgung der eingesetzten Strahlmittel.
Ein Gerüst für das Deutsche Bergbau-Museum. Weitere Eindrücke im Video
In Maßarbeit wurde das etwa 200 Meter lange, 22 Meter hohe und bis zu 3,5 Meter breite Gerüst entlang der Löschgleishalle der Kokerei errichtet.
Sonderlösung für UNESCO-Weltkulturerbe
„Schönste Zeche des Ruhrgebiets“, „Wunderwerk der Technik“, „Kathedrale der Industrie“ – kaum ein Superlativ wurde nicht schon einmal genutzt, um die Zeche und Kokerei Zollverein in Essen zu beschreiben. Seit der Stilllegung der Zeche im Jahr 1986 und der Kokerei im Jahr 1993 wurden die Anlagen sukzessive saniert und für neue Nutzungen ertüchtigt. Heute ist Zollverein ein bekanntes Architektur- und Industriedenkmal und seit 2001 als UNESCO-Welterbe besonders geschützt.
In mehr als 300 Öfen veredelte die einst größte Kokerei Europas Kohle zu Koks. Ihr Zentrum ist die Löschgleishalle, ein Bauwerk, dessen Wände mit vielen Anbauten und Rohrleitungen ausgestattet sind. Gerüste lassen sich hier nicht in einer Linie hochziehen, sondern müssen exakt auf die Hindernisse und deren Um- und Durchbauung abgestimmt werden. Dafür setzte XERVON Gerüstbau auf modernste Technik: Die Geometrien wurden per Lasertechnologie gescannt und die Gerüstkonstruktionen, aufsetzend auf die Daten, dreidimensional geplant.
Gerüstbau außen und innen
In der praktischen Umsetzung entstand an der Hallenaußenseite ein circa 4.500 Quadratmeter umfassendes Fassadengerüst. Als besondere Herausforderung erwies sich dabei die Querung einer fast 80 Meter langen gefliesten Koksrutsche, die nur minimal belastet werden konnte. Da eine übliche Auflagerung des Gerüsts auf der Rutsche nicht möglich war, realisierte XERVON in diesem Streckenabschnitt eine spezielle Hängekonstruktion. Mit ihr konnte das Gerüst über Hilfsgerüste im Halleninnern verankert werden.
Für die Sanierungsarbeiten in der Halle wurden etwa 8.000 Quadratmeter große Raumgerüste benötigt. Sie wurden so gestaltet, dass die Arbeitsplattformen den ehemaligen Meistergang überbrückten. Dabei handelt es sich um eine überdachte Empore, die sich in circa vier Metern Höhe die gesamte Halle entlangzieht. Gleichzeitig musste ein Lichtraumprofil von rund 3,5 mal 4,5 Metern über den Bahngleisen, die im Innern der Löschgleishalle verlaufen, frei gehalten werden. Nicht zuletzt forderte auch die Logistik am Einsatzort eine Sonderlösung, denn der langgestreckte Hallenbau ist nicht per Lkw befahrbar. So bauten die Experten aus Gerüstelementen zwei Loren und nutzten den alten Schienenstrang der Gleishalle für effiziente und ergonomische Transporte.
Gerüstbaulösung für die Kokerei Zollverein. Mehr dazu im Video
Eine Region im Wandel
Die Region zwischen Rhein und Ruhr befindet sich im Wandel. Anstelle von Bergbau und Stahl sind neue Arbeitswelten getreten und an vielen Orten lassen sich im Rahmen der Industriekultur noch gut erhaltene Schätze der Vergangenheit besichtigen. Die Sanierungsprojekte in Bochum und Essen werden sicherlich nicht die letzten sein, denn die Industriedenkmäler bedürfen einer stetigen Pflege und Instandhaltung.
Bildnachweise: Bild 1: Adobe Stock: reeel; Bild 2 – 6: © XERVON





