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11. Juli 2023

Unsere Stadt wird schlauer

Wie die Digitalisierung für saubere Städte sorgt

Wenn die orangefarbene Kehrmaschine der Stadtreinigung im schweizerischen Basel am frühen Morgen ihre Runde über das Kopfsteinpflaster der historischen Altstadt am Rhein dreht, wird nicht nur das touristische Image poliert, sondern auch die Sauberkeit gemessen. Denn ein Sensor erfasst den Unrat auf dem Weg des Fahrzeugs, noch bevor ihn die Kehrbürsten und das Gebläse in den Behälter des Fahrzeugs befördern.

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und der dazugehörigen Software der IT-Schmiede Cortexia werden während der Reinigungsarbeit parallel das Abfallaufkommen und die Art der Abfälle bestimmt. So ermittelt die Anwendung objektiv die Sauberkeit; mit Hilfe von Zeitreihen werden aber auch Daten gesammelt, die den Blick in die Zukunft ermöglichen.

Die Planer der Basler Stadtreinigung bekommen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz eine verlässliche Schätzung über die Art der Abfälle und die Menge, die zu gewissen Zeiten und Tagen anfallen werden. Statt des Bauchgefühls der Mitarbeiter und des (zu) kritischen Blicks der Anwohner bestimmen gesicherte Zahlen Einsatztermine und Frequenz der Stadtreinigung.

Digitalisierung in der Recyclingwirtschaft bedeutet heute also für die städtischen Auftraggeber mehr Sauberkeit bei geringeren Kosten; als weiterer Mehrwert winkt ein Sprung nach vorne bei der Klimabilanz. Die Smart City wird damit zugleich zum Vorreiter beim Klimaschutz.

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und der dazugehörigen Software der IT-Schmiede Cortexia werden während der Reinigungsarbeit parallel das Abfallaufkommen und die Art der Abfälle bestimmt

Digitalisierung und Recyclingwirtschaft

Erfinden sich Branchen wie Handel und Logistik durch die Digitalisierung seit einigen Jahren komplett neu, nutzt die Recyclingwirtschaft Vernetzung und Big Data dazu, bestehende Prozesse zu integrieren und durch Datenmanagement zu verbessern. Nicht neue Wertschöpfungsketten verändern die Branche, sondern neue Konzepte bei der Leistungserbringung, die die Auftraggeber bei Kommunen und Wirtschaft überzeugen sollen und so den Wettbewerb befeuern.

Gerade in der Transportlogistik und der Tourenplanung wächst dank Fortschritten in der Standardisierung von Daten zusammen, was zusammengehört: Integriertes Management von Daten vereinfacht Prozesse, sorgt für mehr Planbarkeit beim Personal und damit für mehr Effizienz.

Doch auch andere Segmente der Recyclingwirtschaft profitieren von der Digitalisierung, so die Sauberkeit der Städte. Bernd Bienzeisler vom Fraunhofer Forschungs- und Innovationszentrum Kognitive Dienstleistungssysteme beschreibt vorhersagebasierte Dienstleistungen als zentrale Neuerung.

Das Plus im Vergleich zum bisherigen Vorgehen ist eindeutig: Reaktive Stadtsauberkeit bestand immer darin, rauszugehen, sobald der Schmutz von Mitarbeitern oder Bürgern wahrgenommen wurde. Das war aber aus deren Sicht eigentlich immer zu spät. Ein proaktiver Ansatz, also überall und mit hoher Frequenz zu reinigen, bevor überhaupt etwas wirklich verschmutzt, war mit Blick auf die Kosten für viele Städte schlicht nicht machbar.

Das ist heute anders: Die Digitalisierung ermöglicht nun erstmals, die Maßnahmen zur Sauberkeit sowie den Einsatz von Ressourcen und Personal effektiv zu planen. In den letzten Jahren sind bereits etliche Ansätze in der Praxis umgesetzt worden. Andere sind gerade dabei, das Licht der Welt zu erblicken. Ein wichtiges Handlungsfeld ist dabei die Datengewinnung.

„KI-basierte Lösungen machen es möglich, den öffentlichen Raum komplett zu erfassen und ein objektives Bild der Sauberkeit zu gewinnen. So lässt sich auch der Fortschritt bei der Sauberkeit zweifelsfrei dokumentieren.“

Dr. Felix Thiele, Geschäftsführer REMONDIS Digital Services

Verschmutzungsmelder

Smartphone-Apps wie „Düsseldorf bleibt sauber“ oder „Stadtreinigung Hamburg“ ermöglichen dem Bürger, Verschmutzungen aktuell zu melden. Liest man die Bewertungen der Apps im Google Play Store oder bei Apple, wird schnell klar, wozu die Bürger die App nutzen. Sei es der Einkaufswagen in der Düssel, der liegengebliebene Sperrmüll auf der Straße oder der illegale Bauschutt neben oberirdischen Wertstoffsammelbehältern. Immer dann, wenn es dem Bürger stinkt, kann er hier ohne Wartezeit seine Beschwerde loswerden – samt Fotos des Problems und der GPS-Koordinaten des „Tatortes“.

Die Vorteile einer solchen Lösung sind die hohe Effizienz und die bereits mit der Erfassung garantierte Standardisierung. Hier muss im Rahmen eines Telefonats
weder das Problem umständlich erfasst werden noch müssen womöglich übertriebene Erwartungen des Anwohners einfühlsam bearbeitet werden. Das wäre bei den rund 1.500 Meldungen pro Monat, die allein die Stadt Düsseldorf 2020 über die App erreichten, eine Aufgabe für mehrere Callcenter-Mitarbeiter. Außerdem ermöglicht die Technik im Idealfall eine automatisierte Bearbeitung, Priorisierung und elektronische Weiterleitung an die AWISTA. Sie kümmert sich als Öffentlich-Privates Unternehmen um die Stadtreinigung. Auch die Erreichbarkeit rund um die Uhr zählt aus Sicht der Nutzer zu den Pluspunkten.

Smartphone-Apps wie „Düsseldorf bleibt sauber“ oder „Stadtreinigung Hamburg“ ermöglichen dem Bürger, Verschmutzungen aktuell zu melden.

Datafleet

Einen anderen Weg der Qualitätskontrolle beschreitet REMONDIS Digital Services mit Datafleet. Hier werden zum Beispiel die Sammelfahrzeuge der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) zu fahrenden Augen. Während der regelmäßigen Tour identifizieren die Fahrzeuge per Kamera und einer dahinterliegenden Software zugewachsene, verunreinigte oder beschädigte Verkehrszeichen, verblasste Fahrbahnmarkierungen oder sogar Schlaglöcher. Auch illegale Müllablagerungen werden erkannt. Die Ergebnisse werden automatisch aufbereitet und dem Auftraggeber digital zur Verfügung gestellt, um eine Reparatur oder die Beseitigung des Abfalls zu beauftragen.

Ähnlich wie bei Cortexia liegt der große Vorteil der Anwendung in der Vollständigkeit der Datenerfassung, wie Dr. Felix Thiele, Geschäftsführer von REMONDIS Digital Services, betont: „KI-basierte Lösungen machen es möglich, den öffentlichen Raum komplett zu erfassen und ein objektives Bild der Sauberkeit zu gewinnen. So lässt sich auch der Fortschritt bei der Sauberkeit zweifelsfrei dokumentieren.“ Denn der Experte ist sich sicher: Unsere Städte sind sauberer, als es sich in der öffentlichen Diskussion widerspiegelt. Nur sind die Anforderungen an die Sauberkeit eben von Bürger zu Bürger nicht gleich und die kritischen Stimmen dominieren meist die Wahrnehmung.

Mit Datafleet werden Sammelfahrzeuge zu fahrenden Augen: Dank integrierter Kameras können z. B. illegale Müllablagerungen oder Schlaglöcher erkannt werden.

Dass im Bereich der Datenerfassung im öffentlichen Raum mehr ginge, zeigen nach Auskunft des Experten Bienzeisler Beispiele aus anderen europäischen Ländern, wo auch Handydaten von Passanten oder Frequenzmessungen an Abfallsammelbehältern genutzt werden. Hier setzt in Deutschland der Datenschutz in der Praxis engere Grenzen, die bei der Konzeption von Anwendungen beachtet werden müssen.

„Bedarfsgerechte Routenplanung macht da Sinn, wo sie für mehr Effizienz sorgt und einen positiven Beitrag zur Klimabilanz leistet.“

Dr. Felix Thiele, Geschäftsführer REMONDIS Digital Services

Füllstandssensoren und effektive Routenplanung

Überquellende Abfallbehälter sind sicher eines der größten Probleme für die Stadtsauberkeit. Die Erfahrung zeigt dabei, dass bereits vermüllte Ecken die Hemmschwelle von Müllsündern weiter senken. „Wo es schon dreckig aussieht, macht mein Abfall auch keinen Unterschied mehr“, so scheint mancher Zeitgenosse zu denken, wenn er seinen alten Fernseher zu der Flaschensammlung neben dem Glascontainer stellt.

Neben den bereits beschriebenen Softwarelösungen wie Cortexia oder Datafleet können auch Füllstandssensoren helfen, solche Problemstellen schnell zu erkennen und für eine Leerung zu sorgen. Die Meldungen der Sensoren fließen dabei über Anwendungen wie Binity von REMONDIS in die Tourenplanung des Sammelunternehmens für die Depotcontainer ein. Statt jede Woche stur das gleiche Schema abzuarbeiten, werden Touren bedarfsgerecht geplant: So kommt es einerseits zu weniger unnützen Fahrten und andererseits werden Hotspots kurzfristig angefahren.

Experte Thiele weist aber auf die Grenzen solcher Lösungen hin: „Bedarfsgerechte Routenplanung macht da Sinn, wo sie für mehr Effizienz sorgt und einen positiven Beitrag zur Klimabilanz leistet. Etwa bei der Sammlung von Privathaushalten in Städten werden feste Touren mit Blick auf den Aufwand Standard bleiben. Ein Füllstandsmesser im häuslichen 120-Liter-Behälter macht wenig Sinn.“ Hauptargument ist hier die hohe Stoppdichte, d. h., durch dichte Bebauung liegen die Anfallstellen so nah beieinander, dass ein gesondertes Anfahren einzelner Haushalte in der Regel zu mehr Aufwand führt, als halbleere Tonnen zu entleeren.

Holen statt bringen

In den Städten spielen bei der Erfassung insbesondere von Sekundärrohstoffen Bringsysteme wie Wertstoffinseln oder Wertstoffhöfe eine wichtige Rolle. Mit Blick auf deren weitere Nutzung stellt die Digitalisierung zentrale Weichen.

Denn Depotcontainer in der Stadt sind immer wieder Hotspots mit Blick auf Sauberkeit und Lärm. Entsprechend möchten viele Gemeinden wie etwa Frankfurt am Main deren Zahl reduzieren, stehen aber vor dem Problem, dass sie Alternativen schaffen müssen – und das in einem politischen Umfeld, in dem die gesetzlichen Vorgaben für die Erfassungsquoten eher zusätzliche Anstrengungen verlangen.

Textiltiger setzt hier an: Die Zahl der Altkleidercontainer ist in den vergangenen Jahren bundesweit stark zurückgegangen. Die privaten Aufsteller mussten mit erheblichen Qualitätsproblemen beim Sammelgut kämpfen. Manchmal fand sich im Container alles, nur keine verwertbaren Textilien. Andererseits ist die separate Erfassung von Textilien mit Blick auf die Verwertung unverändert sinnvoll, auch um eine Entsorgung über den Restabfall zu verhindern.

Textiltiger setzt in Hamburg deshalb seit gut einem halben Jahr in einem Pilotprojekt auf die kostenlose Abholung zu Hause und nutzt dazu eine digitale Bestellmöglichkeit. Mitarbeiter eines Lastenrad-Services oder bei größeren Mengen ein Elektro-Sprinter kommen dann bis zur Haustür, um das Sammelgut aufzunehmen. Das Angebot präsentiert sich bewusst dezentral und emissionsarm.

Die ersten Erfahrungen zeigen hohes Interesse bei den Hamburgern; und die Qualität des Sammelguts ist weit besser als in den Depotcontainern. Das Feedback zum Service von bisher mehreren tausend Nutzern fällt ganz überwiegend positiv aus. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt die Plattform recylcehero.de im Bereich Glas und Altpapier ebenfalls in Hamburg, hier allerdings als bezahlte Dienstleistung.

Digitalisierung ermöglicht Flexibilität

Eine wichtige Rolle bei der Beseitigung von Grünschnitt bis zu Farbresten spielen die Wertstoffhöfe. Doch eingeschränkte Öffnungszeiten und fehlende Bezahlmöglichkeiten stoßen auf die Kritik der Nutzer, wie eine Befragung im Januar 2022 im Auftrag von REMONDIS Digital Services zeigt. Insbesondere werktags am frühen Abend und am Sonnabend gibt es – das zeigen die Zahlen – ein gesteigertes Nutzerinteresse, den Wertstoffhof anfahren zu können; eine Option, die mit Blick auf den nötigen Personaleinsatz aktuell kaum ein Betreiber anbietet.

Das zusätzliche Recyclingpotenzial könnte durch Selbstbedienung und eine kleine Servicegebühr per Karte oder online per Smartphone bei Zutritt in den abgetrennten Anlieferbereich gehoben werden. Zwar ist man bei den Pilotprojekten u. a. in Coesfeld noch nicht bei dänischen Verhältnissen angekommen (in Dänemark sind Wertstoffhöfe teils 24 Stunden nutzbar). Doch immerhin soll nun auch in Deutschland in ersten Orten über eine App ein Zugang zum Wertstoffhof an zusätzlichen Zeiten möglich sein.

Über die Nutzerregistrierung und die benötigten Angaben zu den abzugebenden Abfällen in der App ist eine klare Identifizierung der gelieferten Stoffe möglich. Selbstbedienung geht also keineswegs mit Kontrollverlust und Vermüllung einher. Solche Konzepte könnten Wertstoffhöfe auch räumlich näher zum Bürger bringen, weil kleinere Sammelpunkte dezentral eingerichtet und betrieben werden könnten.

Digitalisierung, das zeigen diese Projekte, ist also ein wichtiger Baustein, um die Klimaziele der Recyclingbranche zu erreichen. Sie ermöglicht bei der Organisation der Sammlung mehr Effizienz und damit eine Reduktion des CO2-Ausstoßes. Zugleich kann die Recyclingquote erhöht werden – und die Kreislaufwirtschaft bekommt zusätzlichen Schub.

Bildnachweise: Bilder 1, 2, 3: Adobe Stock: martanfoto

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