„Die schlimmen Erfahrungen von 2017 haben Goslar noch mehr sensibilisiert“, heißt es aus dem Rathaus der Harz-Stadt. Am 26. Juli 2017 hatte Starkregen das idyllische Flüsschen Abzucht in einen alles mit sich reißenden Strom verwandelt. Das blieb nicht folgenlos. Eine ganze Reihe von Anpassungsmaßnahmen folgten dem Überborden des natürlichen Wasserlaufes: vom Einrichten von Hochwasser-Rückhaltebecken, über neue Sandsack-Füllmaschinen bis hin zu besserer Ausrüstung für die örtlichen Feuerwehren.
Bei Null hat Goslar allerdings nicht anfangen müssen, um sich für Wetterextreme zu rüsten. „Schon vor dem Hochwasser von 2017 wurden im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz unter anderem die Flächenneuversiegelungen kritisch betrachtet und haben in den Planungsprozessen entsprechend Berücksichtigung gefunden“, berichtet die Stadt. Dies gelte auch für den Umgang mit Klimawandelfolgen in der gesamten Bandbreite – neben Starkregenereignissen auch sommerliche Trockenphasen und die Ausprägung von Hitzeinseln im Siedlungsbereich.
Das bedeutet? Hochbauten und andere potenziell gefährdete bauliche Anlagen werden für bekannte Überschwemmungsgebiete in Bebauungsplänen ausgeschlossen oder gar keine entsprechenden Flächen dafür ausgewiesen. „Zudem legen wir in der Stadtplanung verstärkt ein Augenmerk auf die Ertüchtigung der blau-grünen Infrastruktur und die Durchgrünung von Siedlungsflächen. Ein herausragendes Beispiel in der Innenstadt ist die geplante Umwandlung des bestehenden Parkplatzes am Standort der früheren Stiftskirche in eine Grünanlage.“ In allen Bauleitplanverfahren werden die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange eingeholt, zu denen auch die Untere Wasserbehörde der Stadt Goslar gehört. Und EURAWASSER!
Im Mai 2022 war Goslar erneut von Starkregen betroffen
Unser Vorteil: Infos in Echtzeit
Seit der Unwetterkatastrophe 2017 behält auch EURAWASSER Goslar den Pegel der Abzucht genau im Blick. An kritischen Wasserläufen, Rückhaltebecken und Regenwasserkanälen installierte Sensoren liefern die nötigen Informationen zur Lage in Echtzeit. „Diese Daten versetzen uns in die Lage, Extremwettersituationen genauer zu bewerten und schneller Entscheidungen zum Handeln zu treffen“, erläutert Geschäftsführer Michael Figge. „Schließlich erlauben uns die Informationen aus der Sensorik, aber auch von aktuellen Wetterdaten, Informationen an Stadt, Feuerwehr und Wasserbehörden bereitzustellen, um die Anwohner besser über eine potenzielle Gefährdungslage zu informieren.“
Der Diplomingenieur erinnert an den 22. Mai dieses Jahres. Innerhalb von nur einer Stunde fielen über 80 mm Niederschlag in Goslar. „Unser Netzwerk aus elf Niederschlagsmessern zeigte dem EURAWASSER-Betriebsteam aber an, dass sich der Regen auf die Berge im Süden und am südlichen Rand der Altstadt konzentrierten.“ Wo Probleme im Entwässerungssystem auftreten würden, war auf dieser Datengrundlage umgehend auszumachen. Und auch, dass der Pegelanstieg um 60 Zentimeter die Abzucht nicht zum Überlaufen bringen würde. Die extremen Ereignisse von 2017 würden sich nicht wiederholen. Entwarnung! Das Flusswasser musste nicht in das vorgehaltene System der Rückhaltebecken in und um Goslar umgeleitet werden. Wo diese Anlagen sinnvollerweise zusätzlich entstehen oder angepasst werden, modelliert EURAWASSER – kleinräumig skalierbar – mit Hilfe einer Software des Projektpartners Scalgo.
„Um für Wetterextreme besser vorzusorgen, müssen wir alle Flächen im Einzugsgebiet Goslars hinsichtlich ihrer Gefährdungspotenziale bewerten. Hochwasserschutz fängt bei der Bauplanung an. In welcher Weise Bebauung möglich ist, wird auch durch die potenzielle Anfälligkeit definiert.“
Dipl.-Ing. Michael Figge, Geschäftsführung EURAWASSER Goslar
Wer soll das bezahlen?
So wie in Goslar gibt es in vielen Kommunen Deutschlands mit potenziell durch Starkregen gefährdeten Bereichen lange Listen mit dringend notwendigen oder wünschenswerten Maßnahmen. Deren Umsetzung wird durch klamme Kassen, teils lange Behördenwege und, ja, auch den Fachkräftemangel ausgebremst.
Dass die Kommunen beim Hochwasserschutz finanzielle Unterstützung benötigen, meint auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). Seiner Meinung nach handelt es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In der Konsequenz müssten für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen vor Ort auch öffentliche Gelder fließen. Es sei grundsätzlich sinnvoll – schreibt der DStGB unter dem Titel „Schutz vor Hochwasser – Extremwetterereignissen wirksam begegnen“ –, länderübergreifend in Flusseinzugsgebieten unter Einbeziehung der betroffenen Städte und Gemeinden zu handeln. Wertvolle Hilfestellung leisteten Hochwasser- und Starkregengefahrenkarten.
Bundesweite Warnungen für Hochwasser
Auf www.hochwasserzentralen.de – einem länderübergreifenden Info-Portal – können Warnungen für Hochwasser bzw. Überschwemmungen abgerufen werden. Explizit wird darauf hingewiesen, dass örtlich begrenzte Überschwemmungen durch Starkregen nicht vorhergesagt und angezeigt werden können. Eine Warn-Karte unterscheidet farblich zwischen Vorwarnung, Warnung vor Hochwasser und Warnung vor großem Hochwasser. Auch Entwarnung bzw. „Keine Warnung“ zeigt die Grafik deutlich an.
Die Infos der Hochwasserzentrale sind ebenso in der App „Meine Pegel“ (Google Play, App Store) für 3.000 Pegel in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Luxemburg hinterlegt. Auch Benachrichtigungen und für den User besonders interessierende Punkte können hier eingerichtet werden.
Füllstandskontrolle an der Abzucht nahe Theresienhof
Sensorik als intelligenter Hochwasserschutz
In den vergangenen Jahren ist im gesamten Stadtgebiet von Goslar und Umgebung viel in den Hochwasserschutz investiert worden. Der Einsatz von Sensorik spielt dabei eine bedeutende Rolle – schließlich können damit kritische Pegelstände zuverlässiger identifiziert und Schutzmaßnahmen schneller eingeleitet werden. Das schafft ein Plus an Sicherheit und lässt hoffen, dass sich Starkregenereignisse wie im Jahr 2017 oder 2022 künftig besser voraussagen und sicher bewältigen lassen.
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