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GASTKOMMENTAR

3. November 2022

Die Wege des Abfalls sind klar geregelt. Meistens.

Ein Beitrag von Michael Block, freischaffender Journalist

Mit dieser unscheinbaren Feststellung beschreibt der Bericht der Circular-Economy-Experten von Thinking Circular eines der zentralen Ergebnisse aus den ersten Monaten des Katastrophenmanagements zur Ahr-Flut. Der einhundertseitige Report vom 1. März 2022, durch den Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis Ahrweiler (AWB) mitfinanziert, beleuchtet die Arbeit der Entsorgungsbetriebe und weiterer Organisationen während und nach der Flut im Landkreis im vergangenen Jahr.

Nicht zur Zwischenlagerung landeten die fast 100.000 Tonnen Haushaltsabfälle und Sperrmüll auf der Deponie mit dem außergewöhnlichen Namen, sondern für den dauerhaften Verbleib. Ein Entsorgungsweg, der seit Anfang dieses Jahrtausends in der Bundesrepublik verboten ist. Experten sprechen deshalb seit dem letztjährigen Sommer von einem „Rückfall in die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrtausends“.

„Von den bis zum Oktober 2021 umgeschlagenen 300.000 Tonnen Hochwasserabfällen wurden 97.000 Tonnen über die Deponie Eiterköpfe in Ochtendung entsorgt.“

Beseitigung vor Verwertung? Wie konnte es dazu kommen?

Aufklärung verschafft eine Meldung der Deutschen Presseagentur vom 21. Juli 2021: „Das Räumen der Müllberge in den Hochwassergebieten hat begonnen. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD) habe kurzfristig eine Ausnahmegenehmigung für die Deponie Eiterköpfe im Kreis Mayen-Koblenz zur Ablagerung von Haus- und Sperrmüll gegeben, sagte Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) am Donnerstag in einer Sondersitzung dreier Landtagsausschüsse in Mainz. Die Abfallentsorgungsbetriebe hätten in Abstimmung mit der SGD Nord auch noch andere Ablageflächen festgelegt.

Die Deponie Eiterköpfe könne auch ölbelasteten Boden annehmen. Für den Elektronikschrott gebe es noch keine Lösung. Die SGD werde auch klären, wie mit den zahlreichen Autowracks umzugehen sei.“

Dem Abfallzweckverband Rhein-Mosel-Eifel (AZV), ein großes kommunales Entsorgungsunternehmen im nördlichen Rheinland-Pfalz und Betreiber der Deponie Eiterköpfe, gehören die beiden Landkreise Mayen-Koblenz und Cochem-Zell sowie die Stadt Koblenz an. Nach eigenen Angaben umfasst das Entsorgungsgebiet des AZV eine Fläche von etwa 1.640 Quadratkilometer mit rund 400.000 Einwohnern.

Kurzum, das Mainzer Umweltministerium und die nachgeordneten Behörden handelten offenbar nach dem Motto: Hauptsache, der Abfall verschwindet schnell – und den Klimaschutz erlegen wir anderen auf, ohne selbst entsprechend zu handeln. Die Homepage des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz weist übrigens beim Suchbegriff „Eiterköpfe“ auch im August 2022 noch null Treffer aus.

Fragen nach der Konformität einer solchen Entscheidung mit verschiedenen Rechtsvorschriften für die Abfallwirtschaft wurden von offizieller Seite mit dem Hinweis auf die katastrophale Situation in der Eifel und im Ahrtal abgetan. Zum Beispiel die nach der Abfallablagerungsverordnung, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die Verwertung vor Beseitigung vorschreibt, dem Umgang mit Deponiegas und auch den Grenzwerten der Deponieverordnung.

Keine Engpässe bei den Verbrennungsanlagen

Die waren an sich auch überflüssig, hätte ein großer Teil dieser fast 100.000 Tonnen wohl sicher in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden können und so zur Energieproduktion beigetragen, ohne Methan freizusetzen, das etwa 25 Mal schädlicher als das viel diskutierte CO2 ist. Der andere Teil, Sperrmüll mit hohen Anteilen von Holz, Metallen und weiteren recyclingfähigen Materialien, wäre wieder der Kreislaufwirtschaft zugeflossen.

Schon am 20. Juli 2021, einen Tag vor Information über die Sondergenehmigung der Behörden in Rheinland-Pfalz, hatte die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland, ITAD, mitgeteilt, dass die Anlagen die Entsorgung des durch das Hochwasser massenhaft entstandenen Sperrmülls garantieren. Die gesamte Entsorgungsbranche arbeite eng zusammen, um die nötigen Kapazitäten für den Transport, die Sortierung und die thermische Behandlung zur Verfügung zu stellen.

Kurze Zeit später, im Herbst 2021, folgte der Beleg: Der stets bestens unterrichtete Europäische Wirtschaftsdienst EUWID berichtete gleich über eine ganze Reihe deutscher Abfallverbrennungsanlagen, bei denen von einer Flaute bei Gewerbeabfällen gesprochen worden sei. Von Vollauslastung keine Spur, ein Grund für die Ablagerung des Sperrmülls auf der Deponie Eiterköpfe erschloss sich den Beobachterinnen und Beobachtern auch Wochen und Monate nach dem Flutereignis nicht.

Das Hochwasser im Juli 2021 ist gemessen an der Opferzahl die mutmaßlich schwerste Naturkatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut in Norddeutschland 1962.

Der Faktor Geld

Zumal Deponieraum in Deutschland vielerorts sehr knapp ist. Das Freihalten der Restkapazitäten für die in der Regel sowieso nur vorgesehenen mineralischen Abfälle wie Böden und stärker belastete Baumaterialien macht Sinn. Aus einem sicher sehr engen Blickwinkel betrachtet, mag die Situation der Deponie Eiterköpfe eine andere sein: Ihr war erst 2018 genehmigt worden, die Ablagerungsflächen deutlich zu erweitern.

Knapp 100.000 Tonnen Haus- und Sperrmüll liegen nun also dort. Gekostet hat die Deponierung ziemlich sicher weniger als das Verbrennen in einer thermischen Behandlungsanlage. Über Jahrzehnte wird die Biomasse in diesem Abfall, zum Beispiel das Holz, im Zersetzungsprozess allerdings hochgradig klimaschädliches Methan produzieren.

In Zeiten hochentwickelter, gut funktionierender Recyclingtechnik und zunehmend strengerer Vorgaben für das Recycling und das Produktdesign ist das für Entsorgungsexperten aus der Region keine gute Nachricht – auch nicht in einer Ausnahmesituation.

Nicht gut vorbereitet

Ein ähnliches Fazit findet sich auch im Bericht von Thinking Circular über das Katastrophenmanagement während und nach der Flut: „Festgehalten werden muss, dass die Dimension der Flutkatastrophe nicht der Dimension der Vorbereitung für einen derartigen Fall entsprach. (…) „Die frühzeitige Einbindung in den Krisenstab wäre notwendig gewesen, das hätte auch die Wahrnehmung für Themen der Müllentsorgung sichergestellt. Ein Logistikkonzept zum Abfahren des Mülls wäre hilfreich gewesen oder einfach nur Lageberichte.“ (Protokoll Nr. 1)“.

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