Sascha Hähnke, Geschäftsführer REMONDIS Sustainable Services, ist ein erfahrener Logistiker und seit Jahrzehnten ein profunder Kenner der Mobilitätsbranche mit Kontakten in alle wichtigen Bereiche der Wirtschaft wie der Politik. Er streitet leidenschaftlich für die Umsetzung alternativer Konzepte sowie neuer Denkansätze, pocht gleichzeitig vehement auf Klarheit in der Sache und wendet sich gegen ideologiegetriebene Debatten.
Im Gespräch skizziert er die komplexe Situation auf dem Mobilitätsmarkt und weist zugleich auf spannende Alternativen, Projekte und Entwicklungen unter anderem in der Antriebstechnologie hin; das Autoland Deutschland erfindet sich womöglich gerade neu!
„Wir von REMONDIS glauben an den Mix, sind seit jeher technologieoffen hinsichtlich alternativer Antriebe.“
Sascha Hähnke, Geschäftsführer REMONDIS Sustainable Services GmbH
Die Technik: Antriebe und ihre Alternativen
„Wir von REMONDIS glauben an den Mix, sind seit jeher technologieoffen hinsichtlich alternativer Antriebe“, betont Sascha Hähnke. Das bedeute, dass sowohl Elektrofahrzeuge, die mit Batterieantrieb oder mit wasserstoffbetriebener Brennstoffzelle ausgerüstet sind, als auch Lkw, die Biodiesel oder Biogas nutzen, eingesetzt werden müssten, um die Transformation in der Mobilitätsbranche realisieren zu können. „Wenn wir nachhaltig und konsequent die Umwelt schützen wollen, werden wir auf sämtliche Technologien setzen müssen, denn ein Weg allein wird nicht zum Ziel führen“, ist Sascha Hähnke überzeugt. Die Unternehmen REMONDIS und Rhenus verfügen zusammen über rund 10.000 Lkw, mehr als 50 sind bereits elektrisch angetrieben.
Die Unternehmen REMONDIS und Rhenus verfügen zusammen über rund 10.000 Lkw, mehr als 50 sind bereits elektrisch angetrieben.
Neben den gerade in der Öffentlichkeit vielfach diskutierten Technologien mit Elektromotoren gibt es derzeit noch eine besonders spannende Entwicklung, die tatsächlich auch den guten alten Verbrennermotor nicht vollständig ins Museum verbannen würde – ganz im Gegenteil: den Wasserstoff-Verbrenner! Mal abgesehen vom grundsätzlich überschaubaren Wirkungsgrad einer Verbrennung in einem Motor und von der Frage, ob und wann ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung gestellt werden kann, könnte dieser Technologieansatz interessante Vorteile aufzeigen: Wie ein Verbrenner funktioniert, ist im Autoland Deutschland keine Frage, Erfahrung und Know-how sind vorhanden und in der Umrüstung von Motoren gibt es ebenfalls vielfältige Kenntnisse. Das Münchner Start-up Keyou hat sich auf den Weg gemacht, klassische Dieselmotoren in Wasserstoffmotoren umzurüsten. Im Kern bleibt der Dieselmotor erhalten, lediglich die für den Wasserstoffverbrennungsbetrieb erforderlichen Anpassungen werden umgesetzt. Auch andere Unternehmen loten diesen Weg aus: So stellte MAN Engines im November 2023 einen Wasserstoffverbrennungsmotor für Landmaschinen und Offroad-Anwendungen vor – ebenfalls auf Basis eines Dieselmotors (D3876).
„Das könnte neben den batterie- oder wasserstoffgetriebenen Elektrofahrzeugen ein weiterer interessanter Ansatz sein“, sinniert Sascha Hähnke, der in Zukunft aber auch weiterhin unter anderem auf Biogas und Biodiesel setzen will. „CNG- und LNG-Lkw bewähren sich auch in unseren Flotten“, sagt Sascha Hähnke. Das durch die Vergärung von Biomasse, beispielsweise Bioabfall, Speiseresten, Klärschlamm oder Gülle, entstehende Biogas könne einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten – erst recht, wenn in Deutschland das Potenzial der Bioabfallsammlung noch viel besser ausgereizt würde. Bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten könne man allein in Deutschland bis zu 100 Terawattstunden Biomethan im Jahr erzeugen.
Schon seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist REMONDIS maßgeblich an der Entwicklung des Biodiesels und seiner Nutzung beteiligt. Ab 2004 wurde die Biodiesel-Aktivität als eigener Geschäftsbereich unter dem Markennamen ecoMotion etabliert, in der Folge das Produktions- und Vertriebsnetz im In- und Ausland ausgebaut. Seit vielen Jahren sind Sattelzugmaschinen, die HVO (Hydrogenated Vegetable Oil) als Antrieb nutzen und von Rhenus oder unter REMONDIS-Beteiligung in der Recyclinglogistik eingesetzt werden, erfolgreich im harten Alltagsgeschäft unterwegs.
Elektro-Lkw – mit Batterie oder Brennstoffzelle ausgestattet – sind schon jetzt Bestandteil vieler kommunaler und privater Betriebe der Kreislaufwirtschaft. Auch hier müssten alle Wege ausgelotet werden, so Sascha Hähnke. Interessant: Elektrofahrzeuge sind keineswegs Erfindungen unserer Zeit. Das erste Elektrofahrzeug konstruierte der französische Erfinder Gustave Trouvé im Jahr 1881, als er mit seinem Trouvé Tricycle ein elektrisch betriebenes Dreirad baute. 21 Batterien trieben den Elektrowagen von Charles Jeantaud an, den er im gleichen Jahr wie sein Landsmann Trouvé vorstellte. In den 1960er und 1970er Jahren erlebten die von den Verbrennern verdrängten E-Autos aufgrund der Ölpreiskrisen eine kurze Renaissance. Heute gelten E-Antriebe vielen als die wichtigste Schlüsseltechnologie für eine Reduzierung der CO2-Emissionen. REMONDIS und Rhenus haben E-Lkw in verschiedenen Feldversuchen getestet, unter anderem waren ein Mercedes eActros Gen 2, ein DAF (Basis VDL), ein E-Force (Basis Iveco) und ein Volvo FH Electric im Einsatz. E-Lkw mit Brennstoffzelle unter anderem von FAUN werden mittlerweile in vielen kommunalen Unternehmen der Kreislaufwirtschaft in der alltäglichen Arbeit erfolgreich eingesetzt.
Zu den Optionen, die zur Erreichung der Klimaziele berücksichtigt werden sollten, zählten auch die E-Varianten mit austauschbaren Batterien oder mit Strom aus Oberleitungen, meint Sascha Hähnke. Im November 2023 ist im Rahmen des Projekts „eHaul“ in Lübbenau im Spreewald Europas erste automatische Batterie-Wechselstation für schwere Nutzfahrzeuge in Betrieb genommen worden. Für Elektro-Lkw, die mittels Oberleitungs-Stromabnehmer Energie tanken, sind in Deutschland drei Teststrecken gebaut worden: an der A1 bei Lübeck, an der A5 nahe Frankfurt am Main und an der B462 bei Rastatt. Für Sascha Hähnke sind dies durchaus Varianten, die gerade für kommunale Fahrzeugflotten von Interesse sein könnten, denn nicht alle Elektro-Lkw könnten gleichzeitig auf den Betriebshöfen geladen werden – dies übersteige auch hier vielfach die Kapazitäten.
„Bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten kann man allein in Deutschland bis zu 100 Terawattstunden Biomethan im Jahr erzeugen.“
Sascha Hähnke, Geschäftsführer REMONDIS Sustainable Services GmbH
Sascha Hähnke
Sascha Hähnke ist gelernter Speditionskaufmann und war in verschiedenen Unternehmen der Transportlogistikbranche tätig, bevor er 2004 als Geschäftsführer des heutigen Rhenus Forest Logistics, eines Restholzlogistikers, in die Rhenus-Gruppe eintrat. Zwei Jahre später übernahm er die Geschäftsfeldleitung des Roadbereichs und war seit 2018 Mitglied der Geschäftsführung der Rhenus Transport GmbH & Co. KG, unter deren Dach sämtliche Massengut-Transportaktivitäten von Rhenus per Lkw, Bahn und Schiff organisiert werden.
Seit Februar 2023 ist Hähnke Geschäftsführer der REMONDIS Sustainable Services GmbH. Er treibt federführend den Bereich alternative Antriebe im Straßengüterverkehr innerhalb der RETHMANN-Unternehmensgruppe voran und ist darüber hinaus in verschiedenen Gremien engagiert. Unter anderem war er Mitglied der damaligen AG Verkehr und weiterer Taskforces, die das Bundesverkehrsministerium unterstützen, und ist weiterhin auch für Nutzfahrzeughersteller in Kunden-/Expertenbeiräten tätig. Sascha Hähnke ist gebürtiger Bielefelder, 55 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.
Infrastruktur
Was Sascha Hähnke an den Diskussionen um alternative Antriebe stört, ist eine gewisse Realitätsferne, zum Beispiel wenn es um die Ladeinfrastruktur in Deutschland geht. „Es ist wirklich ein Märchen, zu glauben, dass alle Lkw auf Rastplätzen geladen werden können“, nennt er als Beispiel. Es seien bei weitem zu wenig Ladesäulen mit ausreichenden Kapazitäten vorhanden, zudem sei ein Ausbau an vielen Orten, beispielsweise auf vielen unbewirtschafteten Park- und Rastanlagen mit WC-Gebäude, den sogenannten PWC-Anlagen, kaum möglich, da notwendige Zuleitungen errichtet oder gar Umspannwerke erst kostenintensiv gebaut werden müssten. „Man möge sich vor Augen führen, dass es dem Bund nicht mal gelingt, ausreichend Parkplätze ohne Ladesäulen zur Verfügung zu stellen. Konsequenz der Lage: Letztendlich wird es so sein, dass wir Parallelwelten mit Diesel- und Elektro-Infrastruktur aufbauen müssen“, ist Sascha Hähnke sicher.
Förderprogramme
Apropos Engagement des Bundes: Dass es angesichts des gewaltigen Umbaus unserer Mobilität an vielen Punkten nicht ohne Fördermittel geht, scheint selbsterklärend. Dass es in diesem Punkt keine Sicherheit gibt, ist für den Logistikexperten völlig unverständlich. „Viele Unternehmen können nicht mehr planen, und dies in Zeiten, in denen Kriege, Krisen, Inflation und eine Veränderung der globalen Handelswege schon überdurchschnittlich viele Probleme bereiten“, mahnt Sascha Hähnke. Dass die Förderung für klimaschonende Nutzfahrzeuge in diesem Jahr ausläuft, ist für ihn signifikant. „Das Ausland hat uns um das KsNI-Förderprogramm beneidet, auch wenn es schlecht gemanagt wurde“, konstatiert Sascha Hähnke. So seien es keine drei Förderaufrufe pro Jahr gewesen, sondern nur ein Aufruf. Wichtige Themen seien auch die Geschwindigkeit, mit der Anträge bearbeitet worden seien, sowie die Vorfinanzierung von Investitionen – „Letzteres ist für viele kleinere Unternehmen einfach nicht zu stemmen“, weiß Sascha Hähnke.
„Dass alternative Antriebe gerade in der Recyclinglogistik alternativlos sind, ist aus meiner Sicht klar.“
Sascha Hähnke, Geschäftsführer REMONDIS Sustainable Services GmbH
Finanzierung
Finanzen spielen bei einer Transformation sowie beim Erhalt der bestehenden Infrastruktur eine große Rolle. Lkw tragen nicht zuletzt mit ihren Mautgebühren dazu bei: „Die Einnahmen aus der Lkw-Maut werden – nach Abzug der Kosten für Erhebung, Kontrolle und Mautharmonisierung – zur Hälfte für die Bundesfernstraßen und die andere Hälfte für Maßnahmen aus dem Bereich Mobilität und dabei ganz überwiegend für die Bundesschienenwege verwendet. Im Jahr 2022 betrugen die Einnahmen rund 7,4 Mrd. Euro. Angesichts der dringend erforderlichen Investitionen für den Erhalt und den Ausbau der Verkehrsnetze leistet die Maut einen wichtigen Beitrag zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, heißt es auf der Homepage des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. So weit, so gut. Doch seit dem 1. Dezember 2023 ist die Maut um eine CO2-Komponente für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen erweitert worden und dadurch massiv gestiegen. Ab 1. Juli 2024 wird diese Regelung auch auf Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen ausgeweitet. Allein für die seit 1. Dezember gültige Regelung rechnet der Bund von 2024 bis 2027 mit Maut-Mehreinnahmen von insgesamt 26,61 Milliarden Euro. „Das ist für unsere Branche ein Desaster, und dass wir über die Mehreinnahmen auch noch für die Schienenwege der Deutschen Bahn zur Kasse gebeten werden, ist wirklich nicht nachvollziehbar“, sagt Sascha Hähnke.
Alternative Antriebe sind alternativlos
Technologisch, finanziell und administrativ gibt es eine Menge zu tun, wenn die Transformation der Mobilitätsbranche gelingen soll. „Dass alternative Antriebe gerade in der Recyclinglogistik alternativlos sind, ist aus meiner Sicht klar“, resümiert Sascha Hähnke, der auf die vielen spannenden Ansätze in der Praxis verweist. „Gemeinsam und technologieoffen können wir viel bewegen, vor allem wenn wir uns auf die Fakten stützen und den Mut zur Umsetzung haben – davon bin ich überzeugt“, sagt der Geschäftsführer von REMONDIS Sustainable Services.
Bildnachweise: Bild 1: Shutterstock: Sahul Jabir; Bild 2, 3, 4: © REMONDIS