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21. Dezember 2022

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum – von der Stube auf die Straße

Was mit dem Weihnachtsbaum passiert, wenn Weihnachten vorbei ist

Das kleine rotweiße Fähnchen flattert im Wind. Mittendrin in der Waldschonung steht die hoch gewachsene Nordmanntanne, die sich die Familie aus Lüdinghausen für dieses Weihnachtsfest ausgesucht hat. Jetzt heißt es die Axt schwingen und mit einigen kräftigen Hieben, die Tanne zu Fall bringen. Ist das geschafft, können alle mit anpacken, um den Weihnachtsbaum erst aufs Auto und dann nach Hause zu befördern. Die Tradition, sich zu Weihnachten einen Tannenbaum ins Haus zu holen oder auf den Rathausplatz zu stellen, hat ihren Ursprung vermutlich im 18. Jahrhundert. Anfangs geschmückt mit roten Äpfeln, Gebäck und goldenen Nüssen entwickelte sich daraus eine beliebte Tradition mit immer bunterem und aufwändigerem Christbaumschmuck.

Der vielleicht größte Weihnachtsbaum der Welt

Ein sehr großer Weihnachtsbaum steht auf dem Hansaplatz in Dortmund – mit einer Höhe von 45 Metern und einem Gewicht von 40.000 Kilo. Das Schmuckstück wird aus rund 1.700 Fichten aus dem Rothaargebirge zusammengesetzt.

Acht von zehn feiern unter einem Baum

Jedes Jahr werden laut Statistischem Bundesamt mehr als 30 Millionen Weihnachtsbäume gekauft. Acht von zehn Haushalten stellen sich einen Weihnachtsbaum ins Wohnzimmer. Kommunen schmücken Markt- und Rathausplätze mit dem Weihnachtsgrün. So macht es auch die Stadt Lünen: „Wir besorgen rund 400 Bäume zur Weihnachtszeit“, erzählt Stefan Jonic, Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe Lünen (WBL). „Wir schmücken die Stadt weihnachtlich, indem wir Tannenbäume aufstellen und in der Lünener Sternengasse große Herrnhuter Sterne aufhängen. Zudem bekommt jeder Mitarbeiter der WBL einen Weihnachtsbaum, der einen möchte.“ Nach der Weihnachtszeit werden die Bäume beseitigt. „In Lünen sammeln wir im Januar rund 80 Tonnen Weihnachtsbäume ein“, sagt Jonic.
„Bei uns kommen rund 80.000 Bäume an. Das sind rund 1.000 Tonnen“, berichtet Paul Raring, Geschäftsführer der RETERRA West in Lünen – das Unternehmen, das sich um die Weiterverarbeitung der Weihnachtbäume kümmert.

RETERRA – Stoffkreisläufe schließen

Das Unternehmen RETERRA ist ein Spezialist für biologische Rohstoffe mit rund 450 Mitarbeitenden und mehr als 30 Jahren Erfahrung. RETERRA verwertet an 70 Standorten in Deutschland jährlich etwa 2,5 Millionen Tonnen biologische Roh- bzw. organische Reststoffe und erzeugt daraus Produkte wie Komposte, Substrate, Mulche zur Bodenabdeckung sowie Energie in Form von Biogas, Wärme und holzigem Brennstoff. Die Kunden reichen von der Lebensmittelindustrie bis zur Agrarwirtschaft – Kommunen, Gewerbe und Einzelhandel, Erdenwerke und Substratindustrie, Landwirtschaft, Garten- und Landschaftsbau, Architekten, Privatpersonen.

Abgeschmückt wird´s abgeholt

Wann der Weihnachtsbaum die gute Stube wieder verlässt, ist von Haushalt zu Haushalt verschieden. Manche beseitigen den Baum noch zwischen den Jahren, andere nach dem Silvesterfest. Manche halten bis Anfang Februar zum Maria Lichtmess-Tag aus, bevor sie Kugeln, Kerzen und Co. wieder in die Kiste packen. Unternehmen wie die Wirtschaftsbetriebe Lünen (WBL) bieten Abholtermine im Januar an, an denen sie die Weihnachtsbäume einsammeln. „Grundsätzlich sollten die Bäume ohne Baumständer und Kugeln an die Straße gestellt oder zum Recyclinghof gebracht werden“, sagt Stefan Jonic von der WBL.

Die Bäume dürfen keinen Weihnachtsschmuck mehr tragen. „Das ist wichtig, damit keine Fremdstoffe wie Metalle und Glas in der Abfuhr sind und damit die Aufbereitungstechnik nicht beschädigt wird“, erläutert Jonic. Fuhre für Fuhre werden die Weihnachtsbäume zur Aufbereitung ins Lünener Lippewerk gebracht. Dabei sind mehr Wege nötig als bei der Abfuhr der Biotonne. „Wenn wir die Biotonne abholen, passen etwa sieben bis elf Tonnen in ein Fahrzeug. Bei Weihnachtsbäumen sind die Fahrzeuge mit etwa drei Tonnen voll und fahren zurück zum Werk.“

Aus Weihnachtsbäumen wird Kompost

Angekommen im Lippewerk stehen für die Bäume drei Aufbereitungswege bereit. „Seit etwa einem Jahr, geben wir nach einer entsprechenden Aufbereitung einen kleinen Teil von etwa zehn Prozent als Biomassebrennstoff in die Verbrennung zur Stromerzeugung. Wegen des hohen Harzanteils in den Nadelbäumen können sie nur anteilig ins Kraftwerk gehen“, erläutert Paul Raring von RETERRA. Der große Teil der Weihnachtsbäume geht in die Kompostierung. „Die Bäume werden zerkleinert und als Rottegut in die Kompostmiete gebracht.“ Das Lippewerk verfügt über eine komplett geschlossene Anlage in der in einem Rottetunnel kompostiert werden kann. Im Werk gibt es acht Rottetunnel, jeweils 35 Meter lang und sechs Meter hoch. Außerhalb der Weihnachtsbaumzeit werden hier die Biowertstoffe aus der Biotonne, Grünschnitt, Laub und Gartenschnitt kompostiert. „Unsere Anlage verarbeitet jährlich etwa 50.000 Megagramm Biogut und 50.000 Kubikmeter Grüngut“, sagt Raring. „Wir führen Luft von unten herein, sodass die Biomasse in feuchter, aerober Atomsphäre umgesetzt werden kann.“ Ein optimal eingestelltes Organikgemisch und Bakterien unterstützen den Prozessstart. Dann heißt es: Klappen zu. Luft an.

Kompostierung bei RETERRA

Bundesweit betreibt RETERRA 70 Kompostieranlagen und verarbeitet etwa zwei Millionen Megagramm (Mg) Bio- und Grünabfälle im Jahr zu Kompost. Eine der größten Anlagen ist die im Lippewerk. Organische Abfälle aus der Biotonne sowie der Grüngutsammlung sind energiereiche Wertstoffe, die Energieressource sowie Nährstoff- und Humuslieferanten sind. So werden in Nordrhein-Westfalen im Jahr circa 2,2 Millionen Tonnen Bio- und Grünabfall gesammelt, bundesweit sind es knapp zehn Millionen Tonnen – knapp 60 Prozent des möglichen Potenzials. Es gibt aber immer noch weiße Flecken auf der „Biotonnenlandkarte“ – in einigen Regionen und Sammelbezirken erfolgt keine flächendeckende Erfassung. Auch heute wird noch teilweise nicht ordentlich sortiert und getrennt erfasst. Untersuchungen zeigen einen bis zu 30-prozentigen Organikanteil in Restmülltonnen. Bei der stofflichen Verwertung entstehen pro Mg Bioabfall rund 550 Kilogramm nährstoffhaltiger Kompost. Das entspricht einem CO2-Äquivalent von 143 Kilogramm, das mittel- bis langfristig im Boden gebunden werden kann und somit der Atmosphäre entzogen ist.

Wenn Mikroorganismen arbeiten

Luft und Feuchtigkeit – mehr braucht die Mikrofauna im Rottetunnel nicht, um ihre Arbeit zu starten. „Letztlich passiert bei uns hier drinnen dasselbe, wie draußen in der Natur“, sagt Raring. „Unter optimierten und kontrollierten Bedingungen, was den Prozess erheblich beschleunigt.“ In den Rottetunneln sind ausschließlich sauerstoffliebende Mikroorganismen im Einsatz. Durch die Zerkleinerung der Weihnachtsbäume ist die Oberfläche stark vergrößert worden – das bedeutet mehr Angriffsfläche für die Mikrofauna. Anzeichen dafür, dass sie ihre Arbeit aufgenommen haben und die Umwandlung der Weihnachtsbäume in Kompost im Gange ist: Die Temperatur steigt an. Bei dem Abbauprozess entsteht Wärme, sodass es bald im Rottetunnel etwa 70 Grad ist. „Das beschleunigt den gesamten Prozess und zersetzt auch Keime und etwaige Krankheitserreger sehr zuverlässig“, erklärt Raring. Die gesamte Abluft aus dem Rotte- und allen Hallenbereichen wird einem großen Biofilter zugeführt. „Die gereinigte Luft duftet angenehm erdig – wie ein warmer Waldboden nach einem Regenschauer.“

Mit Luft und ohne Luft

Kompostiert wird unter aeroben Bedingungen. Das heißt die Kleinstlebewesen verwenden Sauerstoff für den Abbau der organischen Substanz. Der anaerobe Abbau organischer Biomasse, also ohne Sauerstoff, heißt Vergärung. Biomasse wird dabei in einem luftdichten Fermenter zersetzt. Das energiereiche Methan wird aufgefangen und in Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgewandelt oder nach einer Gaswäsche und -aufbereitung in Erdgasqualität ins Netz eingespeist.

Der Frischkompost ist fertig!

Die Weihnachtsbaummiete wird in den kommenden Wochen ein bis mehrmals durchmischt. Das sorgt für gleichmäßige Belüftung und unterstützt die Komposttierchen bei ihrer Arbeit. Nach zwei bis sechs Wochen ist aus den Weihnachtsbäumen Frischkompost geworden. „In diesem Zustand ist das Kompostmaterial noch bioaktiv und wird besonders gern von der Landwirtschaft verwendet. Frischkompost verbessert die Bodenaktivität, lockert das Bodengefüge und erhöht den Humusgehalt des Ackers. Eigenschaften, die den Boden auch in die Lage versetzen, Wasser besser zu halten und Erosion entgegenzuwirken. Dieser organische Dünger ist bei RETERRA in verschiedenen Güteklassen im Angebot.

Der Kompost ist fertig!

Nach acht bis 14 Wochen sind die Weihnachtsbäume in der Anlage zu feinkörnigem Fertigkompost umgesetzt. Das Volumen hat sich um etwa 50 Prozent verringert. Aus dem Weihnachtsbaum ist feinkörniger Kompost geworden. „Die gröberen Bestandteile sieben wir ab. Sie gehen als Rottegut und Strukturmaterial in den nächsten Kompostierprozess oder als Brennstoff ins Biomassekraftwerk.“ Fertigkompost ist gut fürs Klima und die Pflanzen. „Kompost kann Mineraldünger ersetzen und ist ein perfekter Ersatz für Torf“, so Raring. Pflanzennährstoffe wie Stickstoff, Kalium und Phosphor werden so in den Stoffkreislauf zurückgeführt.

Aus Weihnachtsbäumen werden Heidelbeeren

Neben der Kompostherstellung und der thermischen Verwertung gibt es noch einen dritten Verwertungsweg für die Weihnachtsbäume. „Wir haben einige Kunden, die speziell den Kompost von Nadelbäumen nachfragen“, berichtet Raring. „Es sind Erzeuger von Sonderkulturen wie Heidelbeeren. Das Obst wächst besonders gut auf eher sauren, humosigen Böden mit Nadelbaumstreu, wie sie an ihren natürlichen Wuchsstandorten in Wäldern oder der Heide vorkommen.“ Auch Spargelbauern setzen auf den Kompost zur Neuanlage der Dämme in denen die Spargelpflanzen wachsen. „Mit dem Anteil stabiler organischer Substanz im Kompost verbessern die Landwirte vor allem den Humusgehalt in sandigen Böden“ so Raring. „Eine verbesserte Wasserhaltefähigkeit und zugleich schnellere Erwärmbarkeit der Dammkulturen leisten ihren Beitrag zu einer schnelleren Kulturentwicklung und früheren Ernte.“ Zudem wird auf die suppressive Wirkung des Komposts gegen bodenbürtige Krankheitserreger gesetzt. Das fördert die Bodengesundheit und Bodenaktivität.

Weihnachtsbaum – ja oder nein?

In Zeiten von steigendem Umweltbewusstsein stellt sich einigen die Frage, ob ein Weihnachtsbaum noch zeitgemäß ist. Rechnen sich fürs Klima 15 Jahre Anbau für vier Wochen Einsatz als Weihnachtsbaum? Mit Blick auf die Verwertung der Tannenbäume ist gegen diesen Brauch wenig einzuwenden. „Durch die Kompostierung halten wir das Material nachhaltig im Stoffkreislauf und die gezielte thermische Verwertung regionaler nachwachsender Rohstoffe ist eine sinnvolle Alternative zu fossilen Brennstoffen“, kommentiert Raring. Auch der Blick auf die Weihnachtsbaumkulturen kann positiv ausfallen. „Der Einsatz von Dünger und Pestiziden ist meist gering. Zudem haben die Kulturen für die Regionen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Die Aufzucht ist arbeitsintensiv und erfordert viel Know-how“, so Raring.

Auch wächst das Angebot an regional angebauten Bäumen mit jedem Jahr, sodass lange Transportwege und damit verbundene CO2-Emisssionen vermieden werden können. Auch im Hinblick auf die Sauerstoffproduktion schneiden Nadelbäume gut ab. „Nadelbäume produzieren mehr Sauerstoff als Laubbäume und junge Bäume mehr als alte“, erläutert Raring. „Bei uns zu Hause wird auf jeden Fall auch in diesem Jahr wieder ein Weihnachtsbaum stehen. Dieses Mal mit bunten Kugeln und silberner Spitze.“ Auch im Hause Jonic wird traditionell ein Baum zum Fest aufgestellt. „Bei uns hängt Christbaumschmuck vom Weihnachtsmarkt an den Zweigen“, erzählt der zweifache Familienvater aus Lünen. “Jedes Jahr kommt eine neue Figur dazu. Mein Lieblingsstück ist ein dicker, blauer Elefant mit Glitzer am Kopf.“

Bäume als Sauerstoffproduzenten und Kohlendioxidspeicher

Im Schnitt nimmt ein Hektar Wald im Jahr rund zehn Tonnen Kohlendioxid auf. Das CO2 wird im Stamm, den Ästen, Wurzeln und im Humus gespeichert – also chemisch aufgespalten und in organische Stoffe umgewandelt. Wie viel ein einzelner Baum aufnimmt, hängt von der Baumart, der Holzmasse, der Holzdichte, dem Alter und der geografischen Lage ab. Eine 100 Jahre alte Fichte filtert aufgrund ihrer höheren Holzdichte rund 2,6 Tonnen CO2 im Jahr. Eine 123-jährige Buche fast 3,6 Tonnen CO2. Tropische Wälder wachsen viel schneller als Bäume in Deutschland. Dementsprechend nehmen sie im gleichen Zeitraum mehr CO2 auf und speichern es.

Quelle: www.wald.de/waldwissen/wie-viel-kohlendioxid-co2-speichert-der-wald-bzw-ein-baum/

Wie kommt das CO2 in den Baum?

Ein Baum nimmt während der Photosynthese Kohlendioxid aus der Luft auf. Die Formel hierfür lautet: 6 CO2 + 12 H2O + Sonnenenergie wird vom Blattgrün, dem Chlorophyll, zu C6H12O6 (Traubenzucker) + 6 O2 (Sauerstoff) + 6 H2O (Wasser) umgewandelt. Der Traubenzucker wird vom Baum verwertet, sodass das Kohlendioxid in Form von Kohlenstoff (C) im Holzkörper gespeichert wird.

Quelle: www.wald.de/waldwissen/wie-viel-kohlendioxid-co2-speichert-der-wald-bzw-ein-baum/

Das Leben im Weihnachtsbaumforst

Obwohl Weihnachtsbaumkulturen zu den Monokulturen gehören, sind sie bei Tieren und Pflanzen gar nicht so unbeliebt. „Verglichen mit derzeit üblichem Ackerbau ist der Einsatz von Düngemitteln sehr gering, Pflanzenschutzmittel sind häufig nicht erforderlich oder werden nur punktuell eingesetzt“, schreibt der Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger. „Bedingt durch diese extensive Nutzung der Flächen und die lange Produktionszeit von neun bis zehn Jahren auf einem Quartier, entstehen für viele Lebewesen und Pflanzen sehr günstige Bedingungen und es entwickelt sich eine artenreiche Fauna und Flora.“

Quelle: www.bvwe.de

Bildnachweise: Bild 1, 2: Adobe Stock: sonyachny; Bild 3: REMONDIS; Bild 4: Adobe Stock: sonyachny, REMONDIS; Bild 5, 6, 7: REMONDIS; Bild 8: Adobe Stock: a_m_radul

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