Nach langer Corona-Pause sind in Deutschland wieder publikumsstarke Ausstellungen möglich. Und beinah zeitgleich starteten in diesem Frühsommer zwei Messe-Schwergewichte: im Norden die Hannover Messe, im Süden die IFAT. Beide zählen zur Oberliga des Messewesens – die Hannover Messe als Weltleitmesse der Industrie, die IFAT als weltweit wichtigste Messe für Umwelttechnologie. Auch die Schwerpunkte lagen in diesem Jahr nah beieinander. Wie seit jeher standen für die IFAT Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Daseinsvorsorge und Versorgungssicherheit im Fokus. Die Hannover Messe trat 2022 mit den Schwerpunktthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit an und wollte „klare Impulse für eine innovative, effiziente Produktion und Klimaschutz setzen“.
Die Oberliga des Messewesens: die Hannover Messe als Weltleitmesse der Industrie, die IFAT als weltweit wichtigste Messe für Umwelttechnologie.
Kreislaufwirtschaft bildet Basis für das Gesamtsystem
Also zwei Messen, ein Thema? Nicht ganz. Denn innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungskette setzt die Kreislaufwirtschaft an einer vorgelagerten Stufe an. Über Recycling stellt sie der Industrie benötigte Rohstoffe bereit, die, ebenso ortsnah wie nachhaltig gewonnen, zuverlässig zur Verfügung stehen. Hinzu kommt der Beitrag der Branche zur Energiewende und zum Klimaschutz. Ein Beitrag, der dem industriellen Umfeld zugutekommt, aber auch weit darüber hinausreicht. So wurden in Hannover für Herausforderungen rund um CO2-Einsparung und Circular Economy vielfach noch praktikable Lösungen gesucht, die in München bereits zu sehen oder in Arbeit waren.
Wirtschaftsfaktor mit wachsender Bedeutung
Die Entwicklungen der letzten Jahre – ambitionierte Klimaziele, gestörte Lieferketten sowie Unsicherheiten in der Versorgung mit Energie und Rohstoffen – haben die zentrale Stellung der Kreislaufwirtschaft noch einmal deutlich hervorgehoben. Schon heute arbeiten in den rund 11.000 kommunalen und privaten Unternehmen der Sparte mehr als 310.000 Beschäftigte an den drängenden Aufgabenstellungen unserer Zeit. Der Gesamtumsatz liegt bei 85 Milliarden Euro, die Bruttowertschöpfung bei 28 Milliarden Euro mit jährlichen Zuwachsraten von 3,9 Prozent.
Expertenforum und internationaler Impulsgeber
Als wichtiger Akteur einer sicheren Zukunftsgestaltung wird die Branche unzweifelhaft weiter stark an Gewicht gewinnen. Ihre Vorreiterrolle spiegelt sich bereits jetzt in der Messepräsenz: Mit rund 120.000 Besuchern und 3.000 Ausstellern lag die IFAT deutlich über den Vergleichswerten der Hannover Messe, die 75.000 Besucher und 2.500 Aussteller aufzuweisen hat. Auch die internationale Attraktivität der Münchener Leistungsschau ist ein deutlicher Beleg. So reiste etwa die Hälfte der IFAT-Besucher aus dem Ausland an, darunter zahlreiche hochrangige Delegationen einschließlich der Umweltminister von Brasilien und Singapur.
Aussteller vermissen politische Wertschätzung
Was sich die IFAT-Aussteller gewünscht hätten, wäre eine intensivere Wertschätzung durch die deutsche Politik. So wurde die Messe zwar durch Umweltministerin Steffi Lemke eröffnet, der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz jedoch war in München nicht dabei. REMONDIS-Geschäftsführer Herwart Wilms fasst das Unbehagen in Worte: „Die fehlende Intuition aus Deutschland ist extrem enttäuschend“, meint er. Schließlich sind Umwelt- und Wirtschaftsministerium jetzt erstmals beide in der Hand der Grünen und gemeinsam ließe sich vieles in Gang setzen.
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