Es klingt banal und ist doch eine komplexe Herausforderung auf dem Weg zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft: Nur wenn die Zielvorgaben durchdacht sind und die Marktgegebenheiten richtig abbilden, kann die Erfassung und Rückgewinnung einzelner Stoffe weiter in Richtung geschlossener Kreisläufe entwickelt werden. Aktuell sind die rechtlichen Vorgaben in vielen Fällen unspezifisch an ganzen Stoffgruppen ausgerichtet und setzen reine Mengenziele bei der Erfassung. Wie das weiterentwickelt und in den Rahmen der nationalen Rohstoffstrategie eingebettet werden kann, beschreibt ein aktueller Bericht der Ressourcenkommission am Umweltbundesamt, einem seit 2013 bestehenden Expertenkreis. Mit Herwart Wilms gehört auch ein REMONDIS-Vertreter dem Gremium an.
Der Bericht zum Thema „Chancen und Grenzen des Recyclings im Kontext der Circular Economy“ schlägt nicht weniger als eine weitreichende Neujustierung der Kreislaufwirtschaft vor. Ausgehend vom Ziel einer absoluten Senkung des Ressourcenverbrauchs fordert die Kommission – über die Kreislaufwirtschaft im engeren Sinne hinaus – vor allem eine grundlegende Diskussion bisheriger Produkt- und Servicemodelle der Wirtschaft, um mehr Rohstoffrückgewinnung sicherzustellen.
Beim Recycling sollte die physische Kreislaufführung von Rohstoffen, Materialien und Bauteilen ins Zentrum rücken, um dadurch primäre Rohstoffe zu ersetzen, Nachhaltigkeit zu gewährleisten und Importabhängigkeiten zu verringern. In dem Zusammenhang fordert man die Abkehr von der derzeitige Abfallgesetzgebung, die Recyclingraten bestimmter Abfälle auf Ebene von Produktkategorien festlegt (z. B. Elektroaltgeräte, Altfahrzeuge, Batterien). Diese Indikatoren sind nach Überzeugung der Experten unzulänglich, da sie nur auf die Masse bezogen sind und so nur die abfallwirtschaftliche Erfassung und die erste Aufbereitung abbilden.
Stattdessen sollten zusätzlich operative Indikatoren für einzelne Stoffe festgelegt werden. Dabei sollten auch technische und wirtschaftliche Grenzen bei der Rückgewinnung beachtet sowie Prioritäten zwischen einzelnen Stoffen definiert werden. Wer etwa Aluminium aus Mischverpackungen herausschmilzt, kann nicht gleichzeitig Kunststoff zurückgewinnen. Und nicht alles, was man zurückgewinnen kann, findet am Markt Abnehmer. Mit so realitätsnah definierten Indikatoren für Materialkreisläufe kann überprüft werden, ob marktfähige Materialien in einer Qualität erzeugt werden, die zu einem Wiedereinsatz für die Herstellung von gleichwertigen Neuprodukten führt.
Ressourcenkommission am Umweltbundesamt
Die Ressourcenkommission unterstützt das Umweltbundesamt mit Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Ressourceneffizienzpolitik und Circular Economy. Das Gremium setzt sich aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Die aktuellen Themenschwerpunkte lauten (2021-2024): Chancen und Grenzen des Recyclings im Kontext der Circular Economy, Empfehlungen für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft, Circular Economy Indikatoren sowie Circular Economy und Design.
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Wichtig bei der Definition solcher Indikatoren ist dabei die Anpassung an veränderte Produktdesigns und das Entstehen ganz neuer Produktkategorien. Das Beispiel schnell wachsender Märkte wie etwa Batterien zeigt, dass operative Indikatoren für das Recycling in eine langfristige strategische Sicht des Ressourcenverbrauchs in unterschiedlichen Sektoren der Wirtschaft eingebettet sein müssen. Kreislaufwirtschaft muss also Innovationen vorausdenken und Lösungen finden, bevor die Produkte überhaupt in nennenswertem Umfang in der Sammlung anfallen. Und auch gesellschaftlich gewünschte Transformationen wie die Energiewende müssen bei der Zielstellung beachtet werden.
In diesem Kontext fordert die Kommission die Einführung verpflichtender Standards für das hochwertige Recycling komplexer, ressourcenrelevanter Produktgruppen etwa im Bereich der Elektronik.
Nur so kann sichergestellt werden, dass diese dem Recycling nicht entzogen werden, weil einzelne Akteure für sie wirtschaftliche, aber aus Sicht der Kreislaufwirtschaft schlechtere Lösungen nutzen.
Notwendig sind, so die Experten, außerdem Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz über die realen Stoffströme, z. B. mit Hilfe von Produktpässen, leistungsfähigen Tracking- und Tracing- Systemen, oder auch über eine verbesserte Verknüpfung verschiedener Statistiken. Solche Maßnahmen ermöglichen eine bessere Kontrolle der Abfallströme und auch die Beschränkung von fragwürdigen Exporten solcher Produkte aus dem EU-Raum heraus. Schließlich will die Kommission auch die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen: Durch Normierungen und Designvorgaben soll sowohl die Reparatur als das Recycling erleichtert werden.
„So wie wir als Branche den Weg von der Entsorgungs- zur Kreislaufwirtschaft gehen, müssen wir auch beim rechtlichen Rahmen den Hebel umlegen.“
REMONDIS-Geschäftsführer Herwart Wilms betont: „So wie wir als Branche den Weg von der Entsorgungs- zur Kreislaufwirtschaft gehen, müssen wir auch beim rechtlichen Rahmen den Hebel umlegen. Der quantitative Erfolg bei der Erfassung der Reststoffe ist weder aus wirtschaftlicher Sicht noch mit Blick auf die Nachhaltigkeit des Systems entscheidend. Er war am Anfang sicher nützlich, bringt uns jetzt aber an vielen Stellen nicht mehr weiter. Vielmehr geht es darum, in Zukunft nach dem Grad der Rückgewinnung einzelner, knapper Rohstoffe zu steuern, die tatsächlich erneut in der Produktion eingesetzt werden.“
Herwart Wilms ist zugleich in Deutschland Vizepräsident des BDE sowie des europäischen Dachverbandes FEAD und ist Vorsitzender des BDI-Rohstoffausschusses.
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